Zucker und Kohlenhydrate- Immer wieder missverstanden!
Wie oft höre ich es in meiner Arbeit als Ernährungstherapeutin: „Ich darf Früchte essen? Aber das ist doch auch Zucker!“, „Am Abend Kartoffeln oder Brot?“ „Ist Rohrohrzucker gesünder?“…
Die Frage nach dem WIE zum richtigen Umgang mit Zucker beschäftigt nicht nur Abnehmwillige, Sportler oder Diabetes-Patienten. In den Medien werden verschiedene Meinungen von (vermeintlichen) Experten diskutiert, eine derartige Fülle an widersprüchlichen Empfehlungen findet man zu keiner anderen Fragestellung. Der Laie ist interessiert, verwundert, verwirrt und beschließt am Ende nicht selten, einfach bei seinem aktuellen Zuckerkonsum zu bleiben.
Laut meiner Erfahrung in der Therapie stimmen die theoretischen Argumente zu der Vergleichbarkeit von Kohlenhydraten in Lebensmitteln oder dem Kaloriengehalt häufig nicht mit einer merklichen Besserung der individuellen Probleme überein. Lebensmittel im Labor zu bewerten, gibt uns eben keine Antwort auf die Stoffwechselprozesse in unseren Körpern. Ist ein Nahrungsmittel laut Analyse kalorienarm, heißt es nicht, dass sich unser Darm über dieses Produkt freut, er es optimal und ohne Fetteinlagerungen verstoffwechseln kann. Das Argument „Zucker ist gleich Zucker“ greift offensichtlich nicht, die Verstoffwechselung der kohlenhydrathaltigen Lebensmittel muss vielschichtiger betrachtet werden.
Tausche ich bei einem beliebigen Patienten das typisch morgendliche Toast mit Käse, Wurst oder Marmelade gegen einen Obstsalat mit Nüssen und gekeimtem Buchweizen aus, erfahre ich Bemerkenswertes. Viele Menschen unterschiedlicher Konstitutionen erfahren innerhalb weniger Tage eine eindeutige positive Veränderung ihres Gewichtes, ihrer Leistungsfähigkeit und ihres Wohlbefindens, wenn sie die typisch deutschen Frühstücksgewohnheiten gegen ein rohes Obstfrühstück austauschen.
Warum ist das so? Die Antwort liegt sicher nicht in dem Unterschied zwischen Glucose und Fructose oder in der Anzahl der Kalorien. Es ist der Verarbeitungsgrad dieser Speisen, der den Unterschied macht. Obst, Nüsse, Honig, Trockenfrüchte wie Datteln oder Aprikosen, gekeimte Saaten in unverarbeiteter Rohkostqualität enthalten den einzig wahren natürlichen „Zucker“ in Kombination mit einer Fülle an Vitalstoffen, der nicht mit dem Zucker in verarbeiteten Lebensmitteln zu vergleichen ist.
Diese natürlichen Lebensmittel sind genetisch bedingt durch den Speichel, Pankreas, Leber und Darm gut resorbierbar, können genutzt und unproblematisch ausgeschieden werden. Sobald aus dem Apfel ein Saft (pasteurisiert) oder aus der Dattel ein Sirup wird, ist es für den Körper eine wesentlich größere Anstrengung, den veränderten Zucker zu verarbeiten. Zudem wird oft von einem Saft oder einem Sirup verhältnismäßig mehr verzehrt als von den frischen oder getrockneten Früchten. In einem Glas Saft steckt der Zucker von mehreren Äpfeln, frisch verzehren wir oft nur einen.
REGEL 1: Gänzlich unverarbeitete Kohlenhydrate und Zucker kann der menschliche Stoffwechsel am besten verarbeiten.
Wir sollten als Verbraucher alle uns von dem Handel und der Industrie angebotenen Zucker, Zuckeraustauschstoffe und Süßungsmittel unter dem „Natürlichkeits-Kriterium“ bewerten. Raffinierter Zucker ist nicht nur extrem ungesund, sondern auch sehr günstig. Dies nutzt die Nahrungsmittelindustrie nicht nur für offensichtlich süße Nahrungsmittel, auch bei der Herstellung von Getränken, Saucen, Gewürzmischungen, Wurst, Brot, Konserven etc. wird Zucker unter verschiedenen Bezeichnungen eingesetzt. Viele, als gesund ausgepriesene, manchmal auch vegane, glutenfreie oder biologische Produkte stecken voller Zucker. Wir haben allerdings die Wahl, uns auch gegen Nahrungsmittel zu entscheiden, die wir viel günstiger und gesünder selbst herstellen können.
Auch bei der Wahl von Rezepten lassen sich einfache Regeln anwenden. Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Pseudogetreide wie Quinoa, Reis und Saaten, die man lediglich in der eigenen Küche durch das Kochen verarbeitet, enthalten immer noch hochwertige Kohlenhydrate und viele wichtige Vitalstoffe. Viele Brotsorten, Nudeln, Graupen, Couscous oder Mehle aus Weizen, Roggen oder Dinkel sind lange nicht nur durch das einfache Anwenden von Hitze in der eigenen Küche hergestellt worden. In der industriellen Produktion kommen Auszugsmehle, Getreidekörner oder Samen ohne Keimling, Bachtriebmittel, Färbemittel, Konservierungsstoffe, Aromastoffe, Malzsirup, viel Salz und vieles mehr zum Einsatz, um die hohe Nachfrage nach einfachen, vermeintlich gesunden und günstigen Nahrungsmitteln zu decken.
REGEL 2: Raffinierte und durch industrielle Prozesse verarbeitete Zucker, Süßungsmittel und Kohlenhydrate sollten aus dem Speiseplan gestrichen werden.
Verändert man einen Großteil der Essgewohnheiten, spürt aber keinen positiven Effekt auf den Körper, werden oft minderwertige Kohlenhydrate mit gesunden Speisen kombiniert oder der Mensch gönnt sich zu viele „Ausnahmen“. Zeichen des Körpers sind vor allem ein trotz Ernährungsumstellung unveränderter Gesundheitszustand, Blähungen, Allergien, Blässe, Haarausfall, Unwohlsein und Müdigkeit. Manchen Körpern reicht es eben nicht aus, „etwas mehr“ auf seinen Zuckerkonsum zu achten. Je stärker ausgeprägt individuelle Beschwerden, chronische Symptome oder Erkrankungen sind, desto strikter sollte man Regel 2 anwenden.
Für einige Wochen und Monate KEINEN raffinierten Zucker, keinen Sirup, Säfte und versteckte Zucker zu sich zu nehmen, ist häufig genauso schwer wie notwendig. Auch Allergien, Unverträglichkeiten, Krebs und Übergewicht kann oft so lange nicht entgegengewirkt werden, wie der Mensch noch in seiner Zuckersucht festhängt. Auch ein Stück Schokolade am Tag, eine Kugel Eis im Sommer oder ein Stück Kuchen am Sonntag kann zu gewohnten Beschwerden zurückführen.
Je stärker der innere Hunger nach Zucker verlangt, desto konsequenter sollte er vermieden werden. Abhilfe schaffen Obst, rohe Trockenfrüchte, ein Teelöffel Honig und ein abwechslungsreicher Speiseplan. Sobald der Körper einen Vitamin- und Mineralstoffmangel überwunden hat, der durch Zucker verursacht werden kann, verschwindet auch der Heißhunger. In der Umstellungsphase sollte man sich generell erlauben, mehr Produkte mit natürlichem Zucker und naturbelassenen Kohlenhydraten zu essen. Der Verzicht auf Industriezucker gleicht einem Entzug, den es durchzustehen gilt.
Eine allgemeine Empfehlung zur aufzunehmenden Kohlenhydratmenge pro Tag KANN es nicht geben. Jeder Mensch hat seinen individuellen Gesundheitszustand, seine Geschichte und seinen Bedarf. Was für einen Sportler essentiell ist, kann für jemanden mit einem chronischen Leiden nicht empfehlenswert sein. Prinzipiell ist es sehr sinnvoll, seinen Süßhunger und Vitaminbedarf morgens mit einem Obstfrühstück zu decken, zu allen anderen Mahlzeiten und vor allem abends das frische Obst zu meiden. Rohes Gemüse, Hülsenfrüchte, Sprossen und andere hochwertige Speisen benötigen schließlich auch noch ihren Platz im Speiseplan. Man wird feststellen, dass man langfristig weniger Süßes benötigt. Seinen individuellen Weg findet man am besten mit Hilfe von ganzheitlichen Ernährungsexperten. Wir sind dazu in der individuellen Ernährungsberatung für Sie da.
REGEL 3: Verzehr von Zucker und Kohlenhydraten nach Konstitution, Gesundheitszustand, Bedarf und Wohlgefühl ausrichten.
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