Ukraine - was macht Rußland (I try something in German. Please respond if you want more.)

in #ukraine8 years ago

Russland rüstet auf - Die Logik der Abschreckung 

Kommentar von Eric Gujer 12.8.2016, Moskaus  Aussenpolitik konzentriert sich auf das Militärische und provoziert die  Nato vom Nordmeer bis zum Nahen Osten. Der Westen muss darauf eine  angemessene Antwort finden.
Durch  Europa zieht sich eine neue Demarkationslinie. Es ist keine Berliner  Mauer, kein Eiserner Vorhang, alle Vergleiche mit dem Kalten Krieg  zielen ins Leere, und doch ist der Kontinent wieder geteilt in die  Staaten der Nato und der EU sowie eine russische Einflusssphäre. Beide  Seiten rüsten auf und überarbeiten ihre Militärdoktrinen. Unmittelbar  nach dem Ukraine-Schock und der Annexion der Krim sprach die  überrumpelte Nato noch beschwichtigend von der jetzt notwendigen  «Rückversicherung» für die baltischen Mitglieder der Allianz.  Unterdessen benutzt man ungeniert den Begriff der «Abschreckung». Seit Moskau die Grenzen in Europa gewaltsam verändert hat, kehrt ein neues altes Denken zurück.

Russische Raketen

In  der Ukraine fing alles an, und doch hat sich die Konfrontation längst  von ihrem Anlass gelöst. Denn die Ursache liegt tiefer, sie reicht  zurück bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion. Die Epochen-Zäsur  schwächte Russland, zugleich bedeutete sie eine existenzielle Kränkung  für die Eliten in der Verwaltung, in den Streitkräften und im  Sicherheitsapparat. Seither  arbeitet Moskau, zunächst vom Westen nicht recht ernst genommen,  konsequent auf eine Restauration der alten Grösse hin. Wirtschaftlich  kann das von Rohstoffexporten abhängige Land nicht mit dem Westen  gleichziehen. Politisch scheiterten alle Versuche, durch Druck und  Allianzen das untergegangene Imperium in zeitgemässer Form auferstehen  zu lassen. Der letzte verbliebene Vasall, Weissrussland, ist kein Ersatz  für den einstigen Glanz. Bleibt also nur das Militärische. Waffen, Strategie und Moral der Armee wurden runderneuert.Mit  dem Boom nach der Jahrtausendwende konnte Moskau seine Streitkräfte  modernisieren. Waffen, Strategie und Moral einer auf dem Schrottplatz  der Blockkonfrontation gelandeten Armee wurden runderneuert. Zugleich  gelang es den Rüstungsunternehmen als einer von wenigen Branchen des  Landes, ihre Stellung auf den Weltmärkten zu behaupten. Mangels anderer  Stärken hat der Kreml keine andere Wahl, als seine auf die Restauration  der Grossmachtrolle zielende Aussenpolitik ganz auf das Militärische  abzustützen.Die Folgen sind  vom Nordmeer bis zum Nahen Osten spürbar. Die Kola-Halbinsel,  traditionell Heimathafen der U-Boot-Flotte, erhält neue Schiffe,  Luftwaffenstützpunkte und Bodentruppen. Kaliningrad wird zur  Raketen-Festung. Dank der forcierten Aufrüstung der Krim kontrolliert  Russland unangefochten das Schwarze Meer. In Syrien stationiert Moskau  Hightech-Flugabwehrsysteme, Kurz- und Mittelstreckenraketen.

Bedrohtes Baltikum

Die  Logik dahinter ist immer dieselbe: Die Bewegungsfreiheit der Nato wird  so weit als möglich eingeschränkt. So beschloss zwar die Allianz, als  Reaktion auf die Ukraine-Krise das Baltikum mit vier multinationalen Bataillonen  und einer zusätzlichen amerikanischen Kampfbrigade zu schützen. Weil  diese Kräfte aber im Konfliktfall verstärkt werden müssten, wäre es ein  Leichtes, von Kaliningrad aus den Truppenaufmarsch mit Artillerie und  Raketen zu unterbinden. Die russischen Raketen in Syrien wiederum  bedrohen den türkischen Flughafen Incirlik, das wichtigste Drehkreuz der  Nato an der Südostflanke, wo die Amerikaner Atomwaffen gelagert haben  und von wo aus westliche Flugzeuge den Islamischen Staat angreifen.Der  Verfall des Ölpreises und die westlichen Sanktionen treffen die  russische Wirtschaft hart, weshalb Moskau zum diplomatischen Alltag  zurückkehren möchte. So warb die russische Delegation am Bergedorfer Gesprächskreis der  Körber-Stiftung dafür, unter den Streit um die Ostukraine und die Krim  einen Schlusspunkt zu setzen und wieder bei null anzufangen. Das  allerdings darf nicht geschehen. Die EU hat sich darauf festgelegt, dass  sie die Sanktionen nur beendet, wenn die Bedingungen des  Friedensabkommens für die Ukraine erfüllt werden. Sie muss hart bleiben,  sonst verspielt sie jede Glaubwürdigkeit.Zugleich  geht es eben längst nicht mehr nur um die Ukraine, sondern auch um die  Aufrüstung in Kaliningrad oder die Intervention in Syrien. Die seit dem  Auftauchen der «grünen Männchen» auf der Krim vieldiskutierte hybride  Kriegsführung ist nur Teil einer umfassenden russischen  Militärstrategie. Diese beginnt zwar bei der Destabilisierung des  Gegners durch Desinformation, sie reicht aber bis zu Planungen für den  Einsatz von Nuklearwaffen in konventionellen Konflikten.Russland ist nicht die Sowjetunion. Eine Dämonisierung wäre daher falsch.Während  sich die westliche Öffentlichkeit nach Afghanistan verzagt fragt,  welchen Sinn Militäreinsätze noch haben, führt Moskau eine Intervention  zum Erfolg. Putin hat die erste Runde des Stellvertreterkriegs in Syrien  gegen Obama gewonnen. Der russische Verbündete Asad sitzt wieder fest  im Sattel, gegen ihn wird es keine Lösung im Bürgerkrieg geben. Überdies  definierte der Kreml die politischen Spielregeln für Interventionen  neu. Der Westen pflegt mit einer gehörigen Portion Idealismus im  Tornister loszuziehen; er setzt auf Nation-Building, Menschenrechte, die  Vermeidung ziviler Opfer und den Schutz der Bevölkerung vor Despoten  wie in Libyen. Moskau hingegen betreibt Machtpolitik. Ohne Rücksicht auf  Verluste unterstützt es einen Diktator und macht damit klar:  Gefolgschaftstreue wird belohnt, der Rest ist egal. Autoritäre Herrscher  wie der türkische Präsident Erdogan, die sich von Washington oder  Brüssel im Stich gelassen fühlen, mögen sich ihren Teil dazu denken, wer  der zuverlässigere Partner ist.

Westliche Selbstzweifel

Russland  ist nicht die Sowjetunion. Die aggressive kommunistische Ideologie  wurde abgelöst von einem selbstgenügsamen Kapitalismus für Günstlinge,  Geheimdienstler und folgsame Oligarchen. Die Militärmaschinerie wächst,  aber sie kann nicht mit dem amerikanischen Pendant konkurrieren. Eine  Dämonisierung Moskaus wäre falsch. Dennoch versteht Putin seine Aussen-  und Sicherheitspolitik als ambitionierten Gegenentwurf mit dem Ziel,  Russland auf Kosten des Westens zu stärken. Seine Mission wird  erleichtert, wenn ein deutscher Aussenminister und ein amerikanischer Präsidentschaftskandidat Hand in Hand die Nato demontieren, indem sie deren Manöver oder gleich die gesamte Bündnissolidarität infrage stellen.Der  Westen laboriert an periodischen Anfällen von Selbstzweifeln und  Orientierungslosigkeit, was sich im US-Wahlkampf ebenso wie im Aufstieg  populistischer Parteien äussert. Trotzdem müssen Nato und EU eine  Antwort auf die Frage finden, wie sie mit der wachsenden Herausforderung  durch Russland umgehen. Politisch heisst dies Standhaftigkeit in der  Ukraine-Frage, militärisch eine glaubwürdige Abschreckung. Das bedingt  höhere Verteidigungsausgaben und ein überzeugendes Dispositiv zum Schutz  der exponierten osteuropäischen Staaten. Am wichtigsten aber sind die  Bereitschaft, Moskau Grenzen zu setzen, und der Wille, vor seiner  Drohkulisse nicht zurückzuweichen. 

Aus der NZZ!