Stichwort Generation Y.
Akademiker auf dem Papier, aber nicht im Kopf
Viele führt das Studium in eine falsche Erwartungshaltung. Sie sind keine Akademiker im Kopf, sondern nur einem Ruf gefolgt. Sie wollen im Grunde praktisch arbeiten, nicht am Computer. Sie haben nicht den Drang, ihren Kopf immer und immer wieder Anregung zu bieten. Sie denken nicht analytisch, sind nicht konzeptionell, interessieren sich auch nicht für Strategie. Schon gar nicht steuert sie intrinsische Motivation an irgendetwas, das wirtschaftlich relevant wäre. Ihnen gegenüber sitzen andere, viele, viele, die all das könnten, im stromlinienförmigen Bewerberauswahlprozess aufgrund ihres Alters und der bisherigen Erfahrungen nicht eingestellt werden. Die vielleicht als Selbstdenker auch nicht immer ganz einfach zu führen sind.
Ideale Assistenten, die keine sein wollen
Die gab es schon immer: Menschen, deren Lernambitionen sich mit dem Erwerb des Scheines erschöpfen, weil sie Wissen nicht aus Interesse erwerben, sondern weil es vorgegeben ist und sie im Studium im Grunde nichts anderes machen, als die Schule weiterzuführen. Eigentlich sind es ideale Assistenten, Zuarbeiter, Dienstleister. Die jetzt nur die ersten „Akademiker“ in der Familie sind und glauben, sie müssten „Entsprechendes“ aus sich machen. Die gleichzeitig aber nicht damit zurechtkommen, dass es keine richtigen Berufe mehr gibt und damit kaum Halt in der Karrierewelt finden… Im Studium haben sie zudem ihre Persönlichkeit nicht entwickelt, so dass sie auch Schwierigkeiten haben mit Konflikten, Doppeldeutigkeit, unklaren Zielen und mangelnden Vorgaben zurecht zu kommen (genau das, was man in einem nicht organisierten Uni-Studium lernt).
Welche Funktion hat überhaupt ein Studium?
Ich suche nach einer Begründung. Eine ist vielleicht: Mit Bologna hat das Studium seine Funktion als Persönlichkeitsentwicklungsstation verloren. Früher studierte man lang und breit, weil es einen interessierte. So gehörte man beispielsweise mit 13 Semestern sogar noch zur schnelleren Fraktion. Warum? Es ging uns nicht um einen machen… es gab überhaupt gar keine Anleitung. Einen Großteil der Kompetenzen wurden außerdem vermutlich auf Parties und den enstandenen Austausch untereinander erworben.
BWLer sind die neuen Bürokaufleute
Was das lange Studium am Ende gebracht hat, werden viele nie genau wissen. Zwar sind kaum Inhalte hängengeblieben, aber jede Menge prägende Erfahrungen. Ich bin überzeugt, dass das Umfeld einen prägt.
Glaubt man das, wird der Bachelor mehr Probleme als Lösungen bringen. Die Vorhut sehen wir in unserer Karriereberatung in Form von Absolventen, die mit ihren Jobs und dem, was sie mit Ihrem Studium anfangen können, unzufrieden sind. Die sich weder selbst organisieren noch Entscheidungen treffen könnne. Übrigens sehe ich das vor allem im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich, wo Bachelors die neuen Bürokaufleute sind. Und schauen Sie mal in das Berufsberechnungsprogramm der Süddeutschen Zeitung „wie wahrscheinlich ist es, dass mein Job durch einen Computer ersetzt wird“: Für den Reiseverkehrskaufmann berechnet es, mit einer Wahrscheinlichkeit von 61%, dass der Job ersetzt werden wird. Bei Buchhaltern und Wirtschaftsprüfern sind es übrigens 91% (!), beim Steuerberater 99%. Alles BWL-Heimatfelder.
Und genau das ist das zweite Problem bei einem verschulten Bachelor, der zudem nicht aus intrinsischer Motivation („egal, was es mir bringt, ich mache es für mich!“), sondern aus Berechnung erworben wird („das ist meine Zukunftssicherung“). Karriere und wirtschaftlichen Erfolg berechnende Persönlichkeiten neigten früher zu Jura und BWL. Jura ist aufgrund der Dauer und des Durchhaltevermögens, dass dieses Fach erfordert, immer noch besser geeignet als andere Fächer, diese Berechnung auch zu belohnen, sofern man eine gute Note schafft. BWL ist es nicht mehr, auch der Schwerpunkt Finanzen rettet kaum, siehe oben. So flüchten immer mehr in Ingenieurwissenschaften, denen das eigentlich gar nicht liegt.
Am Tropf der Industrie
Immer mehr Ingenieure landen anschließend in Bereichen wie CAD-Konstruktion, die von Auslagerung bedroht sind, in Jobs, die nicht mehr bei Produzenten direkt, sondern Personaldienstleistern sind, die am Tropf der Industrie hängen (was Jobsicherheit höchst volatil macht, auch wenn hier das Süddeutsche-Programm „grünes Licht“ gibt; es bezieht sich indes allgemein auf Ingenieur und betrachtet nicht einzelne Felder). Was vielen anfangs nicht bewusst ist, dass sie mit einem Studium oft auch gleich eine Branche und deren Werte und Globalisierungsstatus mitstudieren. So landet zum Beispiel der Elektroingenieur, ohne es vorher zu wissen, in einer arbeitsteiligen, eher konservativ-hierarchisch geprägtem Umfeld, das sich etwa von der viel dynamischeren Softwarebranche (Stichwort „teal“) radikal unterscheidet.
Die Lösung? Wir müssen unbedingt weg vom Gedanken einer sich stetig aufbauenden Karriere hin zum Mosaikgedankenkarriere der Lynda Gratton („The Shift“). Bewerber müssen endlich verstehen, dass es sein kann, dass sie gestern 60.000 im Jahr, heute gar nichts und morgen 30.0000 EUR verdienen können und sich vom Gedanken des stetigen Zuwachses verabschieden und an eine Kurve gewöhnen.
Deutsche Firmen müssen ihre begrenzte Sicht auf Fachlichkeit aufgeben und endlich amerikanischer werden, also auch jenen eine Chance geben, die etwas Neues suchen und nicht immer mehr vom Gleichen. Der Staat sollte erkennen, dass Weiterbildung lebenslanges Gut ist und endlich nicht mehr Arbeitslosigkeit versichern, sondern Bildung. Und zuletzt: Aus Berufsberatern sollten Bildungsberater werden, denn die Suche nach einem Beruf ist auch Kopfsache. Wer anfängt nach Bildung zu suchen, trifft andere Entscheidungen.
Wie wär´s ersatzweise mit einer Bildungsversicherung? Bildung sollte nicht eingeimpft werden in zweit-und drittklassigen Turbo-Studiengängen am Lebensanfang, sondern immer wieder aufgefrischt werden. In einem Arbeitsleben, das 40, 50 Jahre dauert, ist dazu jeder Zeit Zeit genug. Und kommt mir bitte nicht mit Arbeitgebern, die Akademiker suchen. Sie suchen nicht wirklich Akademiker, sie suchen Lösungen für ihre Probleme. Und Bachelorabsolventen, die weder gute Arbeit machen noch mit dem Inhalt ihrer Arbeit zufrieden sind, lösen diese Probleme, wie man an der aktuell sieht, ja auch nicht.
Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?
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