Astat, das seltenste Element der Erde

Liebe Leser,
habt Ihr schon einmal von Astat (At) gehört? Das radioaktive Element mit der Ordnungszahl 85 steht im Periodensystem in der 7. Hauptgruppe und gehört damit zu den Halogenen neben Fluor, Chlor, Brom und Jod.

https://artsexperiments.withgoogle.com/periodic-table/?exp=true&lang=de

Warum man noch nie etwas davon gehört hat? Es ist so selten, dass es auf der ganzen Erde nicht einmal eine Unze (ca. 30g) davon gibt! Man schätzt, dass es nur zu 0,0000000000000000000000003 Gewichtsprozent in der Erdkruste und der Atmosphäre vorkommt. Gold ist gegen Astat ein "Allerweltselement" mit ca. 0,0000005%!

Entdeckung

1869 wurde seine Existenz erstmals vorhergesagt, da im von Dmitri Mendelejew etablierten Periodensystem unter dem Iod (I) ein Platz frei war, aber niemand konnte es finden. Nach mehreren vergeblichen Versuchen und behaupeten, aber nicht reproduzierbaren Erfolgen gelang es 1940 erstmals einer Gruppe von Physikern in Berkeley, Kalifornien, Astat künstlich herzustellen durch Beschuss von ²⁰⁹Bismut mit Alphateilchen, wodurch ²¹¹At und 2 freie Neutronen entstanden. Sie schlugen auch den Namen Astat vor (von altgr. ἄστατος: „unbeständig").
Unabhängig davon entdeckten und charakterisierten Berta Karlik und Traude Bernert vom Institut für Radiumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien Astat im Jahr 1942 und publizierten die Ergebnisse 1942-1945, darunter auch den vorgeschlagenen Namen „Viennium“. Aber aufgrund des Zweiten Weltkriegs blieben diese Erkenntnisse auf deutsches Gebiet beschränkt, und Nachrichten anderer Forschungsgruppen wurden nicht weitergegeben, sodass Karlik und Bernert keine Kenntnis von den Ergebnissen der Berkeley-Gruppe hatten! In Folge konnte sich der Name Viennium nicht durchsetzen, aber Karlik und Bernert trugen später noch Einiges zur Astatforschung bei. 1956 erhielt Berta Karlik als erste Frau überhaupt eine ordentliche Professur der Universität Wien.

Eigenschaften

Warum ist es so selten? Es ist extrem instabil und selbst die stabilsten seiner 41 bekannten Isotope, ²¹⁰At und ²¹¹At haben eine Halbwertszeit von nur ca. 8 Stunden. D.h. entsteht ein Astat-Atom, zerfällt es zu 50% nach 8h und die Wahrscheinlichkeit, dass es nach 1 Tag (ca. 3 Halbwertszeiten) noch nicht zerfallen ist, liegt nur bei 12,5%. Es zerfällt durch Alpha-Zerfall zu ²⁰⁶Bismut (ein ungiftiges Schwermetall, das schon seit dem Mittelalter bekannt ist als Nebenprodukt der Silbergewinnung) oder durch Elektroneneinfang zu ²¹⁰Polonium.

Astat gibt es nur deshalb, weil auch einige Uranisotope instabil sind und ihrerseits nach und nach (unter anderem) zu Astat zerfallen.

Wie Astat aussieht, weiß man nicht (man vermutet einen festen Zustand bei Raumtemperatur, möglicherweise eine glänzend-schwarze Oberfläche, mit einem Schmelzpunkt bei ca. 300 ^∘C). Auch das Wissen um seine chemisch-physikalischen Eigenschaften ist sehr begrenzt, auch über 80 Jahre nach seiner Entdeckung. Um Astat zu untersuchen oder anzusehen, bräuchte man zumindest eine kleine Menge davon, doch hätte man genug, würde sie im Nu durch die Hitze der radioaktiven Strahlung verdampfen. So sind seine Charakteristika vor allem durch theoretische Modelle beschrieben. Astat sollte sich wie ein Halogen verhalten, aber "metallischer" sein. Man ist auch nicht sicher, ob Astat wie die anderen Halogene Diatome bildet (also At₂-Moleküle).

Es gilt als nicht gefährlich, weil es so selten ist und so rasch zerfällt.

Anwendung in der Medizin

Trotz seiner Seltenheit wird ²¹¹At in der Medizin, zumindest experimentell in derzeit 10 klinischen Studien bei Leukämie und verschiedenen soliden Tumoren eingesetzt. Sein Vorteil gegenüber anderen alpha-emittierenden Strahlentherapeutika wie radioaktives Jod: seine Alpha-Strahlung ist extrem stark, reicht aber nicht weit (nur ca. 50–100 µm), also ideal, um Krebszellen präzise zu töten, ohne das gesunde Gewebe ringsum zu schädigen.
Noch sind die Kosten enorm, eine kommerzielle Dosis würde über 200.000€ kosten - für jede Dosis muss erst ein Teilchenbeschleuniger "angeworfen" werden (aber solche Anlagen gibt es bereits für andere Radionuklide)! Zum Vergleich: Die bereits zugelassene Alpha-Therapie mit ²²³Radium (Xofigo^® bei Prostatakrebs) kostet ca. 40.000–75.000€. Wobei eine Behandlung nicht reicht, meist werden 6 Zyklen vorgeschrieben.

Quellen:
https://en.wikipedia.org/wiki/Astatine
https://www.welt.de/wissenschaft/article13578653/Chemie-Astat-ist-das-seltenste-Element-auf-der-Erde.html
https://www.livescience.com/39514-facts-about-astatine.html

Andere Posts der Rubrik "Nutzloses Wissen":
Der älteste Atomreaktor der Welt
Das Daxophon
Die erste Telefonkonferenz