Das hätte man mir auch fairerweise vorher sagen können.
Wenn ich kurz den Schalter umlege (ähnlich einem Automatikgetriebe) und im Rückwärtsgang Vollgas gebe, wird mir augenblicklich bewusst, in Frühzeiten meines Existierens von Schicksalsschlägen in die Ecke gedroschen worden zu sein, auf deren emotionale Auswirkungen hinsichtlich meiner Verletzlichkeit, ich hätte viel behutsamer vorbereitet werden können.
Ich rede nicht von vorhersehbaren, aber trotzdem schrecklichen Ereignissen wie der Ermordung von Patrice Émery Lumumba oder der Jagt nach Ernesto „Che“ Guevara. Nicht von dem grausamen Schicksal eines Alfred Willi Rudi Dutschke, Siegfried Buback oder Alfred Herrhausen.
Ich rede von dem, was mich als Kind, Freund und Unschuldslamm so wirklich im luftleeren Raum konnte baumeln lassen.
Die Verantwortung für meinen ungewollten Ausflug in die emotionale Quarantäne laste ich in vollem Umfang meinen Eltern an, die exakt jenen Fehler begingen, den höchstwahrscheinlich alle Erziehungsberechtigte begehen, ohne zuvor eine Lehre in dem Fach »nachvollziehbares Handeln« absolviert zu haben.
Kardinalfehler Nr. 1: Das Kind wird mit Informationen gefüttert, zu denen nie eine Anfrage (weder mündlich noch schriftlich) seitens des Nachwuchses eingereicht wurde. Ein typisches Beispiel dafür, ist das weitergereichte Wissen darüber, dass Herr Huber aus der Schillerstraße nicht mehr alle Latten am Zaun hat und Herr Weirich von schräg gegenüber vom in der Gemeinde üblichen Kehren des Bürgersteiges absolut nichts zu halten scheint.
Ein hallo, bitte aufwachen an alle Eltern! Welches achtjährige Kind hegt ein Interesse daran, die Latten am Zaun eines Mannes zu zählen, den man bislang lediglich durch die Tatsache auf den Bildschirm bekam, weil er regelmäßig die Nachbarschaft mit überlauten Klängen einer Orgel in aller Herrgottsfrühe aus dem Tiefschlaf lockte?
Kehrt nun Herr Weirich am Samstag das Trottoir oder gleich die gesamte Straße – und das bis zum Beethovenplatz? Die Antwort darauf war Klaus, Harald, Kurt und mir so etwas von wurscht, da wir als verschworene Gemeinschaft ganz andere, viel wichtigere Themen zu bearbeiten hatten.
Wo wir bei Fehler Nr. 2 angelangt wären, der seitens der Eltern seinen Anfang nimmt, wenn beim oder nach dem Abendbrot der Nachwuchs befragt wird, wie der Tag denn so verlaufen sei?
Worauf zielen die Erwachsenen dabei ab? Weder bekommen sie von mir zu hören, dass ich Klaus einen Wurfpfeil (Dart) in den Unterarm platzierte, weil der unangekündigt seine Pfeile aus der Scheibe zog noch Kurt beim Indianerspiel nahe der alten Eiche Harald knapp unter dem rechten Auge erwischte? Vorfälle, die Erwachsene einfach nichts angehen.
Da der Redefluss des Filius auf solche Fragen daher rasch versiegt, wird die Verhörtaktik seitens der Erwachsenen geändert und es kommt zu konkreten Fragen wie diesen:
»Hast du bei Klaus schon etwas gegessen?«
Übrigens – keine gute Idee hier mit Ja zu antworten, da dies die nächste Frage provoziert.
»Was hat Frau Schneider denn Feines gemacht?«
»Pumpernickel und Quark.«
»Schon wieder? Das hat es doch auch vorgestern gegeben. Dort scheint auch der Schmalhans Küchenchef zu sein?«
Jetzt mal Butter bei die Fische. Was interessiert mich, was ich vorgestern bei Klaus in der Küche verputzt habe? Hauptsache, wenn der Hunger sich meldet, dass etwas Greifbares in der Nähe ist. Zudem frage ich mich, wer dieser Schmalhans sein soll? Ist das ein Vor- oder ein Nachname? Eines ist jedoch unbestritten – mir ist in der Essküche bei Frau Schneider noch nie ein Mann über die Füße gelaufen.
So behauptete meine Mutter, nur weil ich eher beiläufig erwähnte, Herrn Beck (der Vater von Kurt) nicht während der Kuchenschlacht am Kindergeburtstag gesehen zu haben, der Mann hätte ohnehin zuhause nichts zu melden. Erneut eine Information, um die ich weder gebeten noch mit ihr richtig umzugehen wusste. Das Einzige, was ich mit Sicherheit wusste, war, dass Herr Beck jede freie Minute in seiner Werkstatt teure Uhren reparierte. Ob er sich dabei mit der einen oder anderen Unruhe unterhielt, entzieht sich meiner Kenntnis. Außerdem – seit wann muss man sich zuhause oder gar am Esstisch melden?
Nr.3 - der schlimmste Fehler überhaupt beim artgerechten Umgang mit dem eigenen Nachwuchs: Würmer auf Teufel-komm-raus dem Filius aus der Nase zu ziehen, gleichzeitig wirklich wichtige Dinge aber strikt unter Verschluss zu halten. Die handelsübliche Begründung für diese Praktik: »Dafür bist du noch zu jung!«
Hier auch nicht von schlechten Eltern, die Variante: »Das hat dich nichts anzugehen.«
Wenn dieser vollkommen vermurkste Satz dann auch noch aus dem Mund eines Pädagogen entflieht, stellt sich einem doch unweigerlich die Frage, ob derjenige überhaupt einen Schulabschluss nachweisen kann?
Für dieses schwere Vergehen am heranwachsenden Kind soll mir die Geschichte der Jolanda Schmied dienen, die ich nicht nur als die Mutter von Harald in bester Erinnerung bewahre. Es beginnt bereits damit, dass diese Frau all das in sich vereinte, was mir als Dreikäsehoch diente, nachzuvollziehen, wieso es doch möglich scheint, länger als ein Kindergottesdienst dauert, neben einem weiblichen Wesen ausharren zu können. Jolanda Schmied besaß das äußere Erscheinungsbild, welches bei mir auch zum plötzlichen Herzstillstand hätte führen können.
Da paarte sich Rasse mit Klasse und der seltenen Begabung, ein Lächeln oder eine Streicheleinheit immer exakt im passenden Moment zu verschenken. Und beinahe noch wichtiger – sie schenkte den Wünschen und Bedürfnissen ihres Sohnes die volle Aufmerksamkeit. Ein Beispiel gefällig?
Bitte sehr:
Jeden Morgen das gleiche Ritual. Drei Jungs, beladen mit vielerlei Ideen und noch mehr Schulbüchern, nähern sich auf ihrem Weg zum Bahnhof einem der letzten Häuser vor der Bundesstraße, um dort noch das vierte Mitglied des verschweißten Quartetts aufzunehmen. Kaum den Klingelknopf getätigt, zeigt sich Haralds Mutter am Fenster im ersten Stock und bringt uns auf den neuesten Stand.
»Harald kommt heute nicht mit. Der möchte sich lieber den Abfahrtslauf bei den Olympischen Spielen anschauen. Heute Nachmittag könnt ihr ihm ja sagen, ob er etwas verpasst hat.«
Für mich ganz eindeutig ein Paradebeispiel für gelebte Empathie.
Ich wagte überhaupt nicht darüber nachzudenken, was geschehen wäre, hätte ich am Abend meine Entscheidung für den nächsten Tag dem zweiköpfigen Familienrat mitgeteilt, anstatt mich mit dem Satz des Pythagoras doch lieber mit der Entscheidung beim Geräteturnen, ganz bequem vor dem Fernseher zu befassen.
Da der zuvor angesprochene Rat innerhalb der Familie Legislative, Executive und Judikative untrennbar vereint, wäre meiner umgehenden Abschiebung in eine Klapse (Nervenheilanstalt/Psychiatrische Klinik) nichts entgegenzusetzen gewesen.
Und dann war er plötzlich da, der Tag, den ich wohl nie vergessen werde.
Sechs Stunden Unterricht lagen hinter uns. Wir saßen auf der Bank am Bahnsteig 1 und warteten auf den Zug. So in der Art, was man umgangssprachlich als „the same procedure as every day“ bezeichnen könnte.
Ohne auch nur vorher eine Andeutung, ein Fingerzeig oder einen Faustschlag angekündigt zu haben, fing Harald (wie aus heiterem Himmel) heftigst zu schluchzen an. Meine Oma hätte dieses Weinen wohl dem eines Schosshundes gleichgesetzt. Da wir uns allesamt allerdings lediglich mit Türschlössern auskannten und darüber hinaus keine Ahnung davon hatten, wie sich das Heulen eines Hundes hinter verschlossenen Türen anhört, beschränkten wir uns auf das, was man als das kleine Einmaleins des eingeschränkten Menschenverstandes bezeichnet. Das sah dann so aus: Klaus, Kurt und ich standen/saßen untätig und unfassbar dämlich herum und waren nicht im Bilde darüber, was und wie an Erster Hilfe zu leisten war.
Das Heulen hielt an bis zur Tunneldurchfahrt zwischen Wiebelskirchen und Ottweiler. – Das traurige Schweigen noch viel länger.
Acht Tage später standen Klaus, Kurt und ich mit ein paar wenigen Metern Abstand zu unserem Freund Harald ganz in der Nähe eines frisch ausgegrabenen Erdlochs, in welches Jolanda Schmied, mitsamt einem Sarg, abgeseilt wurde.
Es war der Moment, als ich es bereute, meinem Vater nicht Wochen zuvor mit einem gezielten Tritt Schien und Wadenbein gebrochen oder die geliebte Waschmaschine meiner Mutter nicht mit einer Zementmischung gefüllt zu haben.
Dieses elende Pack der notorischen Besserwisser hatten nämlich ganz genau gewusst, wie es um die Gesundheit der Frau bestellt war. Jener Frau, die die Wünsche ihres Sohnes von den Lippen ablesen konnte.
Aber Herr Beck hat nichts zu melden und Herr Schmalhans kocht bei den Schneiders. Sind das vielleicht die Sachen, die mich interessierten?
Ich glaube, wir hätten wochenlang die Schule geschwänzt (wären uns nicht Informationen vorenthalten worden), stattdessen mit Harald und seiner erkrankten Mutter auf der alten Couch oder im Esszimmer gesessen, ihr Dinge verraten, die außer uns niemand wusste und ihr dabei das Gefühl vermittelt, dass letztlich doch alles gut wird.
Aber die Besserwisser und Manipulatoren jeglicher Informationspolitik haben es mal wieder vermasselt.
Ganz einfach, weil sie keine Ahnung davon haben, wie das Herz eines Kindes wirklich schlägt.
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Die Orgel als Hahnersatz am Morgen ist ein Geschenk des Himmels...
Und wenn der Lattenhans orgeln konnte, dann hatte er bestimmt noch alle Latten am Zaun - ganz im Gegensatz zu seiner Nachbarschaft aus Blockwarten...!
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Ganz meine Sichtweise auf den Irrsinn, der sich so wunderbar an Kinder weiterleiten lässt. Mir ist allerdings auch zu Ohren gekommen, dass Erwachsene untereinander den Bockmist austauschen.
»Ich hätte schlüpfrige Neuigkeiten aus der Schillerstraße. Und was hast du mir anzubieten?«
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.Du sprichst mir aus dem Herzen , ich habe auch nichts erzählt von meinen Erlebnissen, es gäbe eh nur Ärger und noch mehr dumme Fragen! An einen Satz kann ich mich noch gut erinnern,
meine Mutter, lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen ! Ich, ergibt nichts zu erzählen, oder sollte ich erzählen das wir mit 8 Jahren Munition ausgruben.
Übrigens super geschrieben, na wie immer !
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Deine Anmerkung bestätigt mich zum Glück, beim Schreiben (in meiner Überheblichkeit) alle Erziehungsberechtigte über ein und denselben Kamm zu scheren.
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