Heute möchte ich mich einmal einem Gedankenverbrechen widmen, dass für mich ein wenig zum ventilieren dienen soll und gleichzeitig auch ein wenig politischer ist als die bisherigen. Trotzdem bleibe ich hier meiner Linie treu und beziehe keine klare Position, den ich halte das Thema für so essentiell, dass es eigentlich in keiner ideologischen Ausrichtung ernsthaft angezweifelt werden dürfte. Das dies trotzdem in unserer der Fall ist, finde ich daher umso trauriger...
Ich habe in den letzten Jahren die zweifelhafte Ebene gehabt bei der Begehung von Schulen anwesend zu sein. Die Schule ist im Allgemeinen ein geschützter Ort in dem man einen wichtigen Teil seiner Kindheit verbringt und danach eigentlich nur noch aus zweiter Hand Dinge hört. Ich erinnere mich durchaus noch an früher als darüber gesprochen worden ist, dass die Gewalt an den Schulen immer mehr zunimmt und das Mobbing ja sowieso. Wir nannten es vielleicht anders. Trotzdem empfand man irgendwie immer, dass der Autor der jeweiligen Artikel irgendwie nicht so ganz verstand worüber er eigentlich schrieb.
Irgendwie keimte in mir immer die Hoffnung, dass man stets bemüht sei die Schulen zu verbessern. Was ich mir aber ansehen durfte, war schlichtweg einfach nur traurig. Aus irgend einen mir nicht empfindlichen Grund, scheinen die meisten Schulen immer noch den dezenten 70-Jahre-Charm zu haben. Muss wohl etwas mit den 68er-Bewegungen zu tun haben. Das war bereits damals irgendwie unangenehm, aber heute ist es dann schon eher peinlich.
Sieht man dann im Flur kaputte Lampen und spricht jemanden darauf an und bekommt zu hören, dass dies bereits im Budget vorgesehen sei, dann bekomme ich den Eindruck in einem Planwirtschaftssystem zu hausen. Gerade als halber Betriebswirt schockiert es mich, wenn man so etwas sieht. Der Ausfall vom Lampen ist eine ganz natürliche Verschleißerscheinung und muss nicht in ein Budget rein, sondern hat gefälligst bereits im Vorfelde gekauft worden zu sein, damit man im Falle eines Ausfalles bereits die Reserve auf der Tasche hat.
„Budgets“ sind eine heilige Kuhe, die nicht geschlachtet werden, weil die Kuhe bereits längst verwesend auf dem Acker steht. Ich erinnere mich noch sehr gut an meine Studienzeit als man am Wochenende an der Uni saß und der Hausmeister ankam und im Winter in den Seminarräumen das Licht ausschaltete. Das rigerose Argument: Beleuchtung ist nicht im Budget vorgesehen am Wochenende!
Ich weiß noch, dass ich damals halb verzweifelt, halb sauer war. Wir behaupten immer, dass wir in einem Industrieland leben. Wie kann es da sein, dass wir uns kein Licht mehr leisten können und jene Studenten, die auch noch am Wochenende bereit sind ihr Wissen zu vertiefen, sprichtwörtlich das Licht abschalten. Welche geistige Armut muss da den Vorherrschen. Ich kann es ja nachvollziehen, dass man nicht gleich aus der Uni einen Lichttempel machen muss, aber wie arm ist es, wenn man dann mit LED-Lampen und dem Schein des Notebooks in den Räumen kauert und kaum noch etwas vom Blatt lesen kann.
Auch bei den Fenstern fand ich durchaus Dinge wieder, die ich bereits von früher kannte. Schlichtweg kaputte Fenster, die sich nicht richtig schließen lassen. Weil man natürlich trotzdem irgendwie eine annehmbare Zimmertemperatur bieten möchte, laufen die Heizungen dafür auf Hochtouren. Wie kann es sein, dass ein Fenster im Winter einen Spalt offen bleibt und man dann einfach über die Heizung versucht den Defzit zu kompensieren?
Wir diskutieren über alle möglichen Einsparungen zu Gunsten der Umwelt, aber ich habe noch nie jemanden gehört, der sich über die Fenster in so manchem Klassenraum aufgeregt hat. Klar, ist dies etwas teurer und der Raum kann in der Zeit nicht richtig genutzt werden. Auch uns hat man damals deswegen in Container abgeschoben und dabei gleich den Status Quo erhalten und diese permanent gemacht. Lerncontainer. Auch die gibt es heute noch.
Besonders übel wird einem aber wenn man so manche Toilette sieht. Ernsthaft? Klar gab es immer und überall Toiletten die sich in einem desolaten Zustand befinden. Trotzdem bin ich auf meinen Reisen bereits Raststatttoiletten begegnet auf die ich lieber gegangen wäre. Und ich meine damit nicht jene bei denen man 1,20€-Eintritt verlangt und dabei Walgesang lauschen kann und einen der Eindruck überkommt, man könne heimlich auf ein UFO gebracht worden sein...
Wie soll man den vernünftig lernen, wenn man nicht einmal ein Klo hat auf dem man scheißen gehen kann ohne sich darüber zu sorgen der Krankenkasse die nächsten 30 Jahre zur Last zu fallen. Dunkle Orte mit kaputten Kacheln und einem sanitären Komfort nahe des Plumsklos. Das soll Standard in einem Industrieland sein?
Und unsere Industrie jammert dann jedes Jahr darüber, dass die Jugendlichen zunehmend zu einem unbrauchenbaren Material verkommen. Teilweise mangelt es an grundlegenden Fähigkeiten, sowohl was den Lehrplan angeht als auch was soziale Fähigkeiten angeht. So manch einer kommt eben aus der Schule als sozialer Krüppel heraus. Wie soll man den auch an einem Ort der vor sich hin zerfällt auch nur Ansatzweise eine Form von Selbstbewusstsein entwickeln mit dem man erhobenen Hauptes seinen Platz in der Gesellschaft behaupten kann?
Natürlich sind unsere gesellschaftlichen Anstrengungen immer durch bestimmte Faktoren limitiert. Und natürlich wird ein strahlendes Klo nicht automatisch eine Herde intelligenter Menschen heran züchten. Genauso wenig wie Computer im Unterricht integriert noch lange nicht für ein Leben im digitalen Zeitalter fit machen. Es ist aber eben auch ein Gesamtpaket mit dem wir als Gesellschaft zeigen können: Wir glauben an Euch – ihr seid uns wichtig!
Fest und ohne Zweifel bin ich mir sicher, dass wir aus unserer Jugend wesentlich mehr heraus holen können, wenn wir ihnen dies ganz klar sagen und zeigen würden. Machen wir uns nichts vor. Die Budgets werden nun einmal von uns als Gesellschaft vorgegeben und gerade im Bereich der Bildung sparen wir gerne an allen Seiten ein. Je nach Charakter wird der eine sich dann in regelmäßigem Interval darüber echauffieren, dass die heutige Generation einfach nichts mehr taugt. Oder man drückt die Tränendrüse an und sagt, dass man ja gerne mehr machen würde, aber es nicht kann.
Besonders perfide Vertreter unserer Art werden dann sogar immer wieder flammende Reden halten, dass wir in den jugendlichen ein Feuer entzünden wollen. Hört endlich auf unsere Kinder in Flammen stecken zu wollen bis sie innerlich ausgebrannt sind und nur noch still vor sich hinkohlen, um dann irgendwann während ihres Arbeitslebens ausgebrannt zu sein. Ich will, dass wir sie ersaufen in Wissen bis sie davon abhängig sind und nicht mehr davon los kommen. Bereit von Neugier getrieben mit Stolz und Selbstbewusstein in die Welt hinaus ziehen um ihren Lebensweg zu finden.
Es spielt keine Rolle, ob wir sie nun 8 oder 9 Jahre lang an einem trostlosen Ort ohne Perspektive innerlich verhungern lassen. Aber wir sollten uns als Gesellschaft nicht wundern, wenn wir danach dann junge Menschen vor uns haben, denen es immer schwerer fällt sich in der Welt zu behaupten und sich bereits ganz zu Beginn ihres Lebens verloren und missverstanden fühlen. Da ändert sich auch nichts mehr daran, dass wir herauf beschwören, dass sie die Zukunft seien. Auf diese Weise lädt man auf ihnen nur noch mehr Last ab, welche die eigentlich uns gebühren würde abzutragen.
Kein junger Mensch der noch halbwegs bei Trost ist und im Matheunterricht nicht völlig geschlafen hat, wird ernsthaft daran glauben eine Rente zu erhalten. Ja, das tut ja nicht einmal mehr meine Generation. Wir begehen bereits Verrat an den künftigen Generationen, da sie mehr (er)tragen müssen und verschleppte Fehler der Vergangenheit aufarbeiten müssen. Dies können wir ihnen nicht nehmen.
Aber wie sollten sie zumindest bestmöglich darauf vorbereiten. Und das wir lieber darüber diskutieren, ob man in der Steuer noch ein wenig mehr die Wirtschaft subventionieren sollen oder hier die Rente um ein paar Prozentpunkte vor der Wahl anzuheben, ist nichts anderes als Hochverrat an der Jugend. Und dabei habe ich noch gar nicht jene angesprochen, die sich mit anderem belanglosen Themen dieser Zeit befassen und sich ihre eigenen Krisen heraufbeschwören, wo gar keine sind.
Ich würde Spitzenmanager und Reiche nicht dazu verdonnern eine Reichensteuer zu zahlen, sondern sie dazu verpflichten einmal im Jahr eine Schul oder Unibegehung durchzuführen und sich das da gebotene Elend einmal live mit den eigenen Augen anzusehen. Keiner der auch nur ein wenig Anstand besitzt, würde dabei nicht in Scham versinken. Und besonders hartnäckige Fälle würde ich auch mal auf die Toilette schicken, wahlweise mit Klingelbeutel am Eingang, falls man sie doch lieber nicht nutzen würde.
Obwohl ich sehr viele Steuern zahle, gehöre ich keineswegs zu jenen, die sich immer darüber aufregen, dass wir einen schlanken Staat brauchen und ja bereits eine sehr hohe Abgabenlast tragen. Ich bin gerne bereit für einige Herzensanliegen eine höhere Steuer zu zahlen. Und bei jeder Steuererklärung bedauere ich, dass es nicht irgendwo ein Ankreuzfeld gibt in dem drin steht, wofür das Geld nur verwendet werden darf.
Von mir aus kann per default dort „egal“ stehen. Aber ich würde eben auch gerne ein Feld mit „Bildung“ und „Infrastruktur“ haben um künftigen Generationen etwas auf ihre lange Reise mitzugeben und ihnen einen besseren Start zu ermöglichen. Ich wünschte, dass ich Punkte wie „Inneres“ und „Militär“ ausstreichen könnte und meine Steuer daran verweigern könnte. Sollen sich doch die „Patrioten“ dieses Landes mit diesen Punkten abärgern.
Wir brauchen keinen schlanken Staat, wir brauchen einen Staat in dem jeder einzelne sich wiederfindet und das Gefühl hat Einfluss nehmen zu können. Wer dabei dickköpfig auf demokratische Prinzipien beruft, sollte im angesichts einer alternen Gesellschaft nicht wundern, dass die Stimme der Jugend darin untergeht. Den sie sind eine Minderheit in unserem Land, die zunehmend schwächer wird.
Und all die Erwachsenen, die ja mit ihrer Ach so großen Lebenserfahrung aufwarten, sehen dies nicht und diskutieren lieber über ihre Einschnitte ihrer Rente, anstatt diese Krise im Bildungssystem als nationalen Notstand zu deklarieren und alles nur verfügbare Geld aus Wirtschaft und Vermögen dahin solange abzuziehen bis wir zumindest überall Licht, Toiletten und funktionierende Fenster haben? Vielleicht ja sogar noch den einen oder anderen fähigen Lehrer dazu, aber dies könnte vielleicht dann doch ein wenig zu teuer werden und einigen Leuten wie Sozialismus anmuten.
Nein, ich denke, dass wir uns als Gesellschaft auf die völlig falschen Probleme konzentrieren und uns immer wieder leichtfertig von jenen Themen ablenken lassen in denen wir uns leicht aufregen können und eine klare und einfache Meinung haben dürfen. Ich kenne keinen Politiker, der sich offen auf der Straße stellt und für eine Verschlechterung der Bildung eintritt. Ich kenne aber keinen Menschen, der sich offen auf die Straße stellt und für eine Verbesserung eintritt. Genau darin liegt der Hochverrat und die Heuchelei der arbeitenden Generation begründet und die Renter schauen schweigend zur Seite, den auch sie wissen ganz genau über diesen Verrat bescheid.
Sollte ich das nächste Mal wieder hören, dass einer sich darüber aufregt, dass man keine passenden Auszubildenen, Werkstudenten oder Praktikanten bekommt, kann er sich darauf gefasst machen, dass eine ganze Lawine an geballter Wut meinerseits auf ihn hernieder gehen wird. Natürlich gibt es in jeder Population auch einen gewissen Ausschuss den man Verstand auch nicht mit dem Hammer in den Kopf hinein bekommt.
Aber ich bin nicht mehr gewillt eine Gesellschaft zu tolerieren, die auch nur einen einzigen Jungen Menschen, der bereit wäre zu lernen mit Studiengebühren oder schlechter Einrichtung auf seinem Weg zu behindern. Den solange wir Bildungseinrichten wie Legebatterien des Wissens betreiben, muss man sich doch nicht ernsthaft wundern, dass sich die Population dort auch die Augen auspicken und die Schwächsten von ihnen unter die Räder kommen.
Das war damals schon nicht anders und ist es heute scheinbar auch nicht. Lasst uns als Gesellschaft über ideologische Grenzen in einer Sache der Einigkeit herrschen sollte - endlich eine Lösung finden - bevor wir uns über jene Dinge streiten, die uns voneinander trennen.
Ich habe noch nie einen so langen Artikel bis zum Ende gelesen! Inhaltlich, sprachlich top und politisch korrekt obendrein. Volles Programm hihi danke vote follow resteem und Liebe Grüße Kadna
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Vielen Dank! Freut mich insbesondere auch, dass er als politisch korrekt angesehen wird, da bei solchem Thema oft doch verschiedene Meinungen aufkommen. Am Ende streitet man sich meist dann doch eher über Details, während das eigentlich arge bestehen bleibt.
Word!
Wie immer schön geschrieben und gerne gelesen.
Super Beitrag! Hast einen follow
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Vielen Dank, willkommen an Bord!