Paragon offline - Wie platziert man ein Spiel im Markt?

in #gamedev7 years ago (edited)


Para-Gone

Jep. Am 25. Januar 2018 verkündigte Epic das Aus für das hauseigene Moba „Paragon“. Viele Webseiten schlussfolgerten, dass dieser Entschluss im Rahmen des Erfolges von Fortnite Battle Royle gezogen wurde. Jedoch ist dies nicht das erste Mal, dass die Familie Epic eins ihrer Kinder vernachlässigt und im Stich lässt. Um Unreal Tournament kümmern sich schon seit längerem die Nachbarn und Freunde. Paragon, dass im Grunde genommen noch in den Windeln liegt, übergibt man wohl jetzt dem Waisenhaus. Es scheint, dass Epic sich nun vollends auf die Förderung des Wunderkindes konzentrieren möchte. Geradezu musterhaft zeigt dieser „Epic-Move“, wie man einen völlig übersättigten Markt gesichtswahrend verlässt und in einen neuen vielversprechenden Markt einsteigt. Können wir als kleine Spielentwickler davon lernen? Aber sicherlich können wir das. 

Woher kommt der Erfolg?

Wenn wir ernstahft vorhaben ein Spiel zu entwickeln und bereit sind viel Schweiß und noch mehr Tränen zu vergießen, ist es immens wichtig, den Markt im Vorfeld zu studieren. Nutzt soziale Netzwerke, geht in Foren, lest Artikel oder Rezensionen und holt euch Feedback ein. Welchen Aspekt eines Spiels fanden die Spieler besonders attraktiv? War es das Gameplay, die Story oder die Charaktere? Warum scheitern die Sequels oder Spin-Offs von Filmen so häufig und reichem dem Erstling auf kreativer Ebene nur Brackwasser? Der Grund: Die Verantwortlichen nehmen sich häufig keine Zeit herauszufinden, welche Dinge das Publikum am meisten begeistert.„Oh, im ersten Film hatten wir Lichtschwerter. Leute, mehr Lichtschwerter!“„Wow, die schlecht-gerenderten Explosionen müssen der Grund gewesen sein, warum uns die Leute an den Kinokassen mit Geld überhäuft haben. Bauen wir Explosionen in den Explosionen ein. Zweimal soviele Explosionen, zweimal soviel Geld, gell?“ Wenn ihr euch entscheidet ein Spiel oder ein Spielkonzept nachzuahmen, baut mindestens einen Aspekt ein, welcher in eurem Vorbild nicht vorkommt. Grenzt euch mindestens soweit ab, dass die Spielerfahrung mit eurem Game besser oder zumindest interessanter wird. Schauen wir uns an wie die Profis dabei vorgehen. Nehmen wir als Beispiel den Hit „Biohock“  von 2K Games aus dem Jahre 2007.   


Stille Wasser sind tief

 

Bioshock ist im Grunde genommen ein ganz klassischer Shooter mit übernatürlichen Fähigkeiten. Hat es davor schon zig dilliarden Mal gegeben. Wodurch ist Bioshock aber so enorm erfolgreich geworden? Die Antwort ist einfach wie kurz: Das Setting. Im Spiel erkunden wir die heruntergekommene Unterwasserstadt Rapture, welche im amerikanischen Art-Deco Stil der 50er Jahre gestaltet ist. Die Bewohner wurden von einer seltsamen Krankheit befallen und wandeln zombierartig durch die zerstörten Viertel. In einigen dieser Viertel begegnet man den sogenannten „Big Daddys“: Schauerliche Riesen, die in antiquiierten, stählernen Taucheranzügen stecken und ziellos durch die Szenerie stapfen. Innerhalb der Spieltwelt sind verschiedenen Automaten aufgestellt, die gegen Bezahlung gefüllte Ampullen ausspucken. Die in den Fläschchen enthalte Substanz, das Plasmid, verändert die DNA unseres Charakters und verleiht nach Einnahme übermenschliche Fähigkeiten. Der Antagonist des Spiels, Andrew Ryan, welcher wohl zu viel Ayn Rand gelesen hat, provoziert uns durch Lautsprecheransagen immer wieder mit philosophischen Fragen und hinterfragt die Entscheidungen des Protagonisten und damit ultimativ unsere Entscheidungen als Spieler.   


Was hat das Spiel, was die anderen nicht haben? 


Nun zurück zu unseren Ausgangspunkt. Bei wie vielen Shootern bekommen wir Waffen, Ballerei, Medkits, Skills, Gegnerhorden, Endbosse und nochmal Waffen? Bei 99,9%. Bei wie vielen Shootern bekommen wir eine verwüstete Unterwasserstadt im Art Deco-Stil, Big Daddys, Plasmide, einen fanatischen Bürgermeister und philosophischen Objektivismus geliefert? Nur bei Bioshock. Naja, und ein bisschen davon im zweiten Teil.   Wenn man die Leute heute fragt, was sie so geil am originalen Bioshock finden, werden die meisten antworten: Rapture. Denn nur dort können sie durch eine tief im Meer verborgene Stadt streifen, in der eine alternative Form von Gesellschaft erprobt wurde, die letzten Endes scheiterte. Diese Erfahrung bekommt man ausschließlich in diesem Spiel. Naja, und ein bisschen davon im zweiten Teil. 

  
Überlegungen zur Martktanalyse

 
Wenn wir ein Spiel im Markt platzieren wollen, sollten wir im Vorfeld einige Überlegungen anstellen: 

  • Wie zeitgemäß ist das Genre? 
  • Wie gesättigt ist der Markt? 
  • Gegen wie viele Konkurrenten trete ich an? Bedenkt, ihr tretet manchmal auch gegen Spiele an, die in den 90ern veröffentlicht wurden. 
  • Wo gibt es Nischen im angepeilten Genre? 
  • Welche Aspekte werden von den Spielern positv hervorgehoben? 
  • Welche Aspekte werden von den Spielern negativ hervorgehoben? 
  • Welche Aspekte vermissen die Spieler im angepeilten Genre? 
  • Welche Features sind genial, mittelmäßig oder katrastophal ausgefallen? 
  • Welche Rolle spielen Faktoren wie Grafik, Musik und Sound?

  
Das sind nur einige Punkte, die ihr beachten solltet. Findet heraus, ob ihr euch mit euren Ideen auf der Autobahn bewegt oder euch durch den Morast kämpfen müsst. Dies wird entscheidend für eure  Werbestrategie sein und beeinflusst, wie ihr eurer Spiel der Öffentlichkeit präsentieren wollt. Wenn ihr glaubt, dass wäre von geringer Bedeutung, schaut euch bitte nochmal den Werdegang der WiiU an. Schon die falsche Namensgebung kann der Sargnagel für euer Spiel sein. 


Zum Scheitern verurteilt? 

Einen Aspekt habe ich in meinen Überlegungen bisher weniger stark berücksichtigt und dieser scheint meiner Meinung nach geeigneter für einen eigenen Beitrag zu sein. Wir sind bei unseren Überlegungen davon ausgegangen, dass wir ein bewährtes Konzept analysieren und transformieren. Wie sieht es aber mit exotischen Konzepten aus, die ihr abseits des Mainstreams entwickelt habt? Man denke da an Spiele wie Rocket League oder Sims. Viele haben anfangs gedacht, das Konzept von Sims wäre Müll, weil es ein Spiel dieser Art bis dahin nicht auf dem Markt gegeben hat. Es gab ja auch unzählige Titel, die in der Testphase grandios liefen, einmal auf dem Markt geworfen, aber ebenso grandios scheiterten. Dieser Thematik gehen wir ein anderes mal nach.

 Ein Blick über den Tellerrand 

Scheut euch nicht das Angebot der anderer Entwickler ausgiebig zu testen. Spielt die Konkurrenz rauf und runter. Was machen die einen gut? Was machen die anderen schlecht? Welche Lösungsansätze sind ausbaufähig? Und vor allem: Redet mit den Leuten! Ihr werdet überrascht sein, wie häufig die Spieler selbst gar nicht wissen, was sie an ihren Lieblingspielen so toll finden. Versucht aus diesem Vakuum zu schöpfen und entwickelt mit euren Einsichten eigene Konzepte und Lösungen.