Die oberste Direktive

in #deutsch6 years ago

https://younggerman.com/2019/04/24/die-oberste-direktive/


 Eine der beliebtesten Sci-Fi-Erzählungen ist die von Star Trek. In  nahezu allen Variationen versetzt uns der Macher von Star Trek, Gene  Roddenberry, in eine futuristische Welt in einer nicht so weit  entfernten Zukunft, in der die Menschheit es geschafft hat eine  Weltregierung zu bilden. Nach einem brutalen Jahrhundert, dem 21.  Jahrhundert, das voller furchtbarer Weltkriege war, schlossen sich die  verbliebenen Menschen ungeachtet von Ethnie, Religion oder Nationalität  zu einer gemeinsamen Super-UN zusammen. Sie gründen eine neue  Gesellschaft, in der es weder Geld noch Not gibt. Alle Menschen arbeiten  zur Besserung der Menschheit, statt für ihre eigenen, scheinbar  egoistischen Ziele. Medizin ist hochentwickelt und kostenlos, Kriege  zwischen den Nationen gibt es nicht mehr. Auch Gewalt ist eine Anomalie,  die nur sehr selten auftritt. Perfektes Essen kommt aus dem Automaten,  alle Mitglieder dieses Utopias sind durchtrainiert, gesund und  intelligent. Es ist der feuchte Traum verblendeter Globalisten, der  nicht auf der Erde aufhört. Denn die Föderation der Vereinten Planeten,  eine Art UN des Universums, vereinigt Dutzende von Alienspezies unter  einer Superregierung – eine monströse Bürokratie, die sich dem  Fortschritt, aufklärerischen Toleranzfloskeln und dem Frieden  verschrieben hat. Die Föderation und die Menschheit in Star Trek sind  das, was sich die Generation unserer Eltern und Großeltern nach dem  Zweiten Weltkrieg erträumt hat. Die Vereinten Nationen auf der Erde sind  eine logische Konsequenz dieses utopistischen Denkens, das auf falschen  Annahmen basiert. Es ist ironisch und witzig zugleich, dass Gene  Roddenberry viele Jahre später mit der Sci-Fi Serie «Andromeda» eine  völlig andere Geschichte erzählt. In Andromeda zerbrach die utopistische  Gesellschaft, das Commonwealth, an seinen inneren Gegensätzen und der  Schwächung durch einen zu langen Frieden. In Andromeda ist die Galaxis  brutal, unzivilisiert und es gibt nur das Recht des Stärkeren. Es  scheint fast so, als hätte Roddenberry seine Ansichten über die  Menschheit mit zunehmendem Alter geändert. So als wäre er im hohen Alter  weiser geworden. Seinen Idealismus, der in Star Trek fortlebt, legte er  in Andromeda ab. 

 

Wir brauchen Dinge

 In Star Trek: The Next Generation wird die Geschichte der  Enterprise mit dem Protagonisten Jean Luc Picard erzählt, der Kapitän  dieses Forschungsschiffes ist. Die erfolgreiche Serie macht  unmissverständlich klar, dass es sich bei diesem Schiff mit vielen  Tausend Menschen und Aliens an Bord, um ein  internationales(interspezies) Forschungsraumschiff handelt, das nur  mäßig bewaffnet ist und viel ziviles Personal an Bord hat. Überhaupt ist  die militärische Ausbildung und Ausrüstung der Menschen im Allgemeinen  regelrecht peinlich, wenn man sich die Außenteams der Enterprise  ansieht. Man scheint in der Zukunft weder Schutzkleidung zu tragen, noch  grundlegende Regeln des Gefechts bzw. Kampfes zu verstehen. Die  Föderation der Vereinten Planeten ist eine pazifistische Gummitruppe,  die das Weltall erforschen will und dabei die Rolle eines Beobachters  einnimmt. Immer wenn sie auf fremde Spezies auf fernen Planeten treffen,  versuchen sie das Zivilisationsniveau der Aliens einzuschätzen und  abzuwägen, ob die Außerirdischen möglicherweise zivilisiert genug sind,  um der Föderation beizutreten. 

 An sich, und das ist der Witz an dieser Utopie, ist diese  Herangehensweise ganz und gar nicht mit dem gutmenschlichen Unterton von  Star Trek zu vereinbaren. Denn sie entspringt dem Realismus. Die Crew  der Enterprise beobachtet die fremden Völker und fällt ein Urteil über  sie, ohne jedoch direkt einzugreifen und den Lauf der Entwicklung der  Aliens zu stören. Man nennt dies die «oberste Direktive». Es handelt  sich um eine beinahe unumstößliche Regel, die nicht gebrochen werden  darf. Selbst der Erschaffer einer futuristischen Utopie, in der eine  fast schon kommunistische Weltregierung über Dutzende Planeten herrscht,  in der sich alle Mitglieder einem seltsamen Humanismus verpflichtet  fühlen, erkennt, dass man nicht jeden Hanswurst aus einer barbarischen  Kultur in seinen Club aufnehmen darf. Es ist ganz klar für die  Föderation, dass beispielsweise irgendwelche brutalen Kriegervölker, die  auf dem technologischen und zivilisatorischen Niveau von Halbaffen  stehen, keinen Platz in einer humanistisch orientierten Gesellschaft  haben können. Denn würde man sie aufnehmen, dann würde die Utopie an  ihren inneren Widersprüchen, denen ihrer Mitglieder, die nicht alle das  selbe Weltbild haben, zerbrechen. Diese Idee wird Roddenberry mit den  Nietzscheanern in Andromeda fortführen. In seinem späteren Machwerk  zerbricht diese utopistische Regierung, das Commonwealth, daran, dass es  Mitglieder aufgenommen hat, die nicht in das Halleluja der  Friedensfanatiker und Gutmenschen mit einstimmen wollen, sondern in der  faulige Degeneration dieser Zivilisation nur Schwäche, die es  auszubeuten gilt.In Star Trek: The Next Generation gibt  es eine Folge, wo die Mannschaft der Enterprise auf ein Volk trifft, das  sich zwar mit Raumschiffen durch die Galaxis bewegen kann, aber  scheinbar diese Technologie von einem anderen, höher entwickelten Volk  bekommen hat. Jemand hat also in die natürliche Entwicklung dieser  Spezies eingegriffen und ihr vermutlich aus falsch verstandener  Freundlichkeit Technologie überlassen, die nicht ihrem mentalen und  kulturellen Niveau entsprach. In etwa so, als würde man einem Mann aus  der Steinzeit eine Kalaschnikow und einen Atomreaktor in die Hand  drücken. Eventuell kann man ihm zeigen, welche Tasten er betätigen muss,  um diese oder jene Aktion auszulösen. Aber er wird wohl niemals  verstehen, was er da eigentlich tut. So geht es auch den Aliens aus der  Folge von Star Trek, die prompt beim Erstkontakt mit den Menschen der  Föderation nach «Dingen!» fragen. 

 «Wir brauchen Dinge!» Das ist der einzige Satz, den die  Aliens nicht müde werden zu wiederholen. Sie verstehen nicht was sie  eigentlich tun, um durch das All zu reisen. Sie benutzen ihre neuen  Waffen, ohne die philosophischen Grundlagen von Zivilisation, Krieg,  Völkerrecht oder die bloße Wirkung eben selbiger Waffen zu verstehen.  Sie sind einfach Barbaren, die mit der Phasenkanone in der Hand das tun,  was Barbaren eben tun. Solche Völker haben keinen Platz in der  Vereinten Föderation der Planeten. Daran besteht auch für Picard und  seine Enterprise kein Zweifel. Niemals würden sie auf die Idee kommen,  eine solch primitive Nation von Fremden in ihre eigene Zivilisation  aufzunehmen. Die Folgen wären unvorstellbar zerstörerisch. 

 Die selbe Logik wird überall in Star Trek angewandt. Insofern ist diese  Utopie womöglich sogar realistischer, als die der heutigen Gutmenschen.  Völker werden nicht einfach durch den Übertritt in ein neues Land bzw.  eine neue Gesellschaft zu Trägern der selben Werte und Ideen. Nur weil  man die kriegerischen Klingonen, die nur Kampf und Krieg kennen, in die  Föderation aufnimmt, werden sie nicht automatisch zu Vertretern eines  internationalen Humanismus. Es gibt Zivilisationen, die einfach nicht  miteinander kompatibel sind. Und eine friedliche, ja pazifistische  Zivilisation mit einer kriegerischen und barbarischen zu vermengen,  würde die eigene Vernichtung bedeuten.