https://younggerman.com/2019/02/09/der-wahre-wert-des-dienstes-am-vaterland/
Dieser Tage machen zwei Meldungen die Runde, die eine Betrachtung wert sind. Zum einen wäre da die Sorge bei den Parteien, die nicht die AfD sind, weil ihnen scheinbar eine kleine aber multiplikatorisch wirksame Wählergruppe entgleitet - nämlich die Soldaten, Ex-Soldaten und vermutlich auch die Polizisten, wenn wir von einer grundlegenden Ähnlichkeit des Berufsprofils ausgehen. Die Bild-Zeitung berichtete mit der Schlagzeile: «Wird die AfD die neue Soldaten-Partei?»Etwa 2100 der 35.000 Parteimitglieder der AfD sollen laut BILD Soldaten sein. Möglicherweise ist die Zahl sogar deutlich höher, wenn wir ehemalige Soldaten und aktive Reservisten hinzuzählen. Sinngemäß warnt Ex-Verteidigungsminister Jung (CDU) vor der Sogwirkung der Alternative für Deutschland bei der Truppe und sorgt sich augenscheinlich um den Stand, den die CDU einst in der Armee genoss. Früher galt die CDU noch als Vertreterin der Soldaten und Polizisten. Eine Partei, die sich für die treuen Diener des Staates einsetzte und die den patriotischen Dienst für die Republik nicht schlecht machte. Wie sie zu diesem Ruf genau kam, erscheint angesichts der drastischen Veränderungen durch CDU-Verteidigungsminister und Regierungen schleierhaft. Immerhin war es unter der Führung der CDU, als die Wehrpflicht abgeschafft wurde. Das Amt des Verteidigungsministers befindet sich seit 2005 in der Hand von CDU/CSU. Seither hat die Bundeswehr an Material, Moral und Mensch nur abgebaut. Unter Ursula von der Leyen kamen dann zusätzlich zur desolaten Situation in der Armee auch noch Vetternwirtschaft und Gesinnungsschnüffelei hinzu. Mittlerweile wird bereits jeder Bewerber bei der Armee zum Verhör beim Militärischen Abschirmdienst geladen, der auch das Thema das zweiten Absatzes ist.Die zweite interessante Meldung erreichte uns Ende dieser Woche, als einige Medienportale verlauten ließen, dass ein KSK-Soldat im Dienstgrad eines Oberstleutnants mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert wurde. Begründet wird dies laut Presseberichten mit folgenden Aussagen bei NTV (Stand 09.02.2019):
«Die Bundeswehr muss sich offenbar mit einem neuen Rechtsextremismus-Skandal auseinandersetzen. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, soll ein Elitesoldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK), Obersleutnant Daniel K., derzeit vom Dienst suspendiert sein. K. wird unter anderem vorgeworfen, in Telefongesprächen gesagt zu haben, "der Staat habe die Lage nicht mehr im Griff seit der Flut an Asylbewerbern, die man alle zurückschicken müsse". So zitiert ihn das Blatt nach eigenen Angaben sinngemäß. Seiner Meinung nach müsse man die Dinge "jetzt selbst in die Hand nehmen". Die Aussagen flogen demnach auf, weil im Zusammengang mit den Ermittlungen gegen den rechtsradikalen Soldaten Franco A. Telefone überwacht wurden.»
Und bei RP-online.de (Stand 09.02.2019):
«Dem „Spiegel“ zufolge war der Oberstleutnant aufgefallen, da er in einer geschlossenen Facebook-Gruppe Meinungsbeiträge postete, die das Gedankengut der sogenannten Reichsbürger wiedergaben. Der Oberstleutnant habe zum Beispiel die Abschaffung des Bundespräsidentenamts gefordert. „Reichsbürger“ lehnen die Bundesrepublik als Staat ab und erkennen die Regierung nicht an.»
Abgesehen davon, dass die Anklage wegen Terrorismus gegen Franco A. vor Gericht keinen Bestand hatte und nicht durchkam (WELT, 09.07.2018), ist auch der angebliche Komplize Maximilian T. mittlerweile durch den Bundesgerichtshof entlastet worden.
Und nun zu den Aussagen von Daniel K., der sich zunächst des unsäglichen Meinungsverbrechens schuldig gemacht hat, die Abschaffung des Bundespräsidentenamts zu fordern. Damit steht Herr K. quasi auf einer Stufe mit den durchtriebenen Meinungsverbrechern beim Spiegel, dem Freitag und anderen Horten des Reichsbürgertums, die sich alle schon für die Abschaffung des Bundespräsidenten ausgesprochen haben. Auch Alan Posener, der sich ansonsten wohl bei keiner Gelegenheit als Reichsbürger definieren würde, forderte schon die Abschaffung des Bundespräsidenten! Konsequenterweise müsste man, wenn die Logik des Militärischen Abschirmdienstes in sich kohärent ist (hahahah!), sofort den Verfassungsschutz informieren, damit er als zivile Behörde die sofortige Überwachung von Alan Posener einleiten kann.Sogar Rainer Kahni forderte beim sehr linken Freitag schon ein rasches Ende dieses «nutzlosen» Amts.Betrachten wir den anderen Teil der Vorwürfe, könnte sich daraus schon eher ein extremistisches Gedankengut konstruieren lassen, wenn man das will. Dass der Staat die Lage mit den Asylbewerbern nicht mehr im Griff habe, wurde ja bereits so von anderen Politikern aus CDU/CSU oder einigen Bürgermeistern geäußert. Obwohl so eine unverfrorene Faktenfeststellung ja bereits ausreichen könnte, um eine Verurteilung als Meinungsverbrecher zu erhalten. Aber nein! Vermutlich hat man Herrn K. einen Strick aus «alle zurückschicken» und «jetzt selbst in die Hand nehmen» gemacht. Wenn man vorverurteilend denkt und unbedingt möchte, könnte man das so interpretieren, dass Herr K. hier «Ausländer raus!» und «mit Gewalt selber machen!» sagt, was aber eigentlich erst bewiesen werden müsste. Denn wenn man noch sprachlich und faktisch differenzieren kann, was den meisten Mitarbeitern beim VS und beim MAD wohl kaum gelingt, müsste man doch feststellen, dass der Begriff «Asylbewerber» keinesfalls mit «Ausländer» gleichzusetzen ist. Auch der Wunsch diese Asylbewerber zurückzuschicken, dürfte nur schwerlich als ein Wunsch nach rassischer Reinheit zu interpretieren sein. Denn es ist doch klar, dass abgelehnte Asylbewerber gehen müssen und auch anerkannte Asylbewerber auf absehbare Zeit eigentlich in ihre Heimatländer zurückkehren sollten, wenn die Umstände dies erlauben. Ein Siedlungsrecht oder einen Anspruch auf Einbürgerung und damit Aufenthalt aufs Lebenszeit gibt es im Grundgesetz nicht. Auch der Passus des «selbst in die Hand nehmen» ist interpretationsfähig, wenn auch nicht viel. Herr K. könnte hier lediglich meinen, dass die Bürger des Landes bei der Abwahl jener Regierung Hand anlegen sollen, die dieses Chaos verschuldet hat, um diesen Zustand zu beenden. Ein Aufruf zur Gewalt müsse hier zunächst bewiesen werden, was scheinbar nicht geschehen ist. Denn andernfalls wüssten wir mittlerweile mehr von Daniel K. und seinen «bösen» Taten.
Kein schöner Vaterland
Die Bundeswehr entledigt sich eines Soldaten, der seiner Bundesrepublik 28 Jahre mit Leib und Leben treu gedient hat. Man sollte nicht glauben, dass es sich hier um Einzelfälle handelt. Allein in meinem Umfeld gibt es etliche Geschichten von Soldaten, wo der Besitz einer Sezession im Spind oder das Lesen einer Jungen Freiheit im Auslandseinsatz, ja schon das Zitieren aus dem Cicero im Hörsaal disziplinarrechtliche Konsequenzen oder Einschüchterungsversuche durch den MAD nach sich gezogen hat. Wohlgemerkt schon vor und während den Zeiten, als angeblich wegen Franco A. die gesamte Haltung der Bundeswehr auf die Prüfbank geschoben wurde und man Helmut Schmidt in der Universität der Bundeswehr kurzzeitig abhing, weil dieser ja mal in der Wehrmacht gedient hatte. Auch in der Offiziersschule in Dresden ging der Geist der ideologischen Bilderstürmer durch die Hallen, die etwas leerer und trüber wurden. Ein neuer Traditionserlass aus der Feder des von Von der Leyen geführten Verteidigungsministeriums macht im Grunde klar, dass es keinerlei positive Bezugspunkte für die Bundeswehr in der deutschen Geschichte mehr gibt.Und dann wundert man sich tatsächlich in der CDU und anderswo, dass die Soldaten, die immerhin ihren Eid auf ein deutsches Volk und eine Bundesrepublik Deutschland leisten, ihr Seelenheil woanders suchen und sich Parteien zuwenden, denen Heimat, Vaterland, Nation, Tradition und die Armee noch wichtig sind. Wahren Soldaten wohnt ein militärischer Idealismus inne, der nicht mit Geld gekauft werden kann und den man nicht mit schnöden Karriereversprechen beleidigen sollte. Patriotismus, Republikanismus und Soldatentum stehen in Wechselwirkung zueinander und können nicht alleine für sich in einer Armee existieren. Bei den Technokraten an der Spitze der Armee und Politik scheint nicht verstanden worden zu sein, dass die Reformer der Bundeswehr, beispielsweise General Baudissin, keine Armee der internationalistischen Beliebigkeit wollten, sondern klare Vorstellungen von einer neuen deutschen Armee vertraten. Eine Armee, in der sich freie Staatsbürger unterschiedlichster Schichten und Prägungen dem Ideal des tapferen Dienstes für die Allgemeinheit verpflichten. In den Schriften der Reformer, die sich vor über einem halben Jahrhundert im Kloster Himmerod trafen, um nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein neues Militär zu schaffen, werden einige Dinge klar herausgestellt: Soldaten in der neuen Armee Deutschlands sollten dem Gedanken des Friedens verpflichtet sein, den sie auch notfalls mit Waffengewalt verteidigen.
Vor allem sollten sie ihren kritischen Geist bewahren, sollten «Staatsbürger in Uniform» sein, die nicht einem Führer oder einer politischen Führungskaste folgen, sondern dem Recht und ihrem Gewissen. Sie sollten sich dem hohen Ideal der Republik und einer Demokratie verpflichten, die sie mit ihrem Leben verteidigen.Dass eines Tages diese Republik und diese Demokratie sie jedoch weder verstehen noch vertreten würde, konnte man sich Mitte 1950 wohl noch nicht vorstellen. Längst hat ein kultureller Umbruch stattgefunden, der die staatlichen Schutzinstitutionen pervertiert, weil er den eigentlichen Staatsschützern abverlangt, dass sie das tun, was ihrem Ethos widerspricht - nämlich den Staat zu entblößen. Wer sein staatliches Ethos ernst nimmt, kann wohl kaum eine Partei wie die LINKE oder die Grünen wählen, die sich nicht nur bei jeder Gelegenheit verächtlich über die Truppe äußern, sondern auch Grenzen, Nation und Vaterland beleidigen oder gleich abschaffen wollen. Von diesen Parteien wird der Soldat und im erweiterten Sinne der Polizist doch wohl kaum vertreten.Die Auswahlmöglichkeiten für einen Soldaten sind gering, wenn er nicht gerade absolut desinteressiert ist und sich mehr als Lohnempfänger in einer Firma begreift, deren Gewerbe das Töten für Geld ist (Killerkevin und Enrico bei der Bundeswehr!).
Wenn er dies jedoch ist, wird er sicherlich keinerlei Probleme in dieser neuen Bundeswehr haben, solange er sich politisch korrekt im linken Bereich des Meinungskorridors bewegt. Der heutige Soldat darf links sein und sich sogar vor seinen Vorgesetzten als Anarchist bezeichnen (habe ich selbst erlebt), ohne dass ihm Konsequenzen drohen. Sie, beispielsweise die Offizierin der neuen Bundeswehr, kann sogar jungen Bewerbern im Karrierecenter erzählen, dass sie ein «bekennender Kommunist» ist und besagter Bewerber sich keine Sorgen machen müsse, dass er als vermeintlich Linker bei der Bundeswehr richtig sei. Sie selber habe mit ihrer Einstellung ja auch nie Probleme gehabt.Nein, nein. Es ist nicht überraschend, dass wir eine Armee kriegen, die größtenteils von Menschen geführt wird, die nichts vom wahren Wert des Dienstes am Vaterland verstehen. «Karriere minus Zukunft» bei der Bundeswehr ist jetzt en vogue. Dabei gibt es so viel, was man den Soldaten an Werten vermitteln könnte, statt sie mit stumpfen und brutalen Ritualen versumpfen zu lassen und anschließend medial durch den Dreck zu ziehen. Womöglich liegt die Krise der Truppe ja nicht nur beim sowieso völlig unterirdischen Material, sondern auch in ihrer Seele begründet. Da es kein gesundes Verhältnis von Politik und Militär gibt, der Soldat als solches weder Achtung noch Höflichkeit in der Gesellschaft zu erwarten hat und allenfalls mit Desinteresse gestraft wird, sucht er sich automatisch Orte, wo man ihn mehr schätzt.Die blindwütigen Faustschläge des internen Repressionsapparats sind nur Symptome des Zerfalls einer einst großen Institution unseres Landes.
Bild: Pixabay
Sämtliche Militärputschisten auf der ganzen Welt haben übrigens auch "nach ihrem eigenen Gewissen" gehandelt. Vor und nach 1950.
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