Christchurch: Rassenkrieger ohne Rassenkrieg

in #deutsch6 years ago


 Christchurch. Es gibt wohl keinen deutlicheren Beweis für die  Unwürdig- und Verwerflichkeit der eigenen Taten, als wenn man sie mit  den Namen wahrer Größen schmücken muss.
So bekritzelte der  Massenmörder von Christchurch sein Gewehr mit Begriffen, die –  größtenteils – mit der Abwehr des Islams in der Vergangenheit in  Zusammenhang stehen. Ansonsten rüstete er sich mit fantastischen,  esoterischen Symbolen wie der Schwarzen Sonne, deren rassistische  Intention durch sein Pamphlet noch unterstrichen wird. Voll im  Rassenwahn zieht dieser »Held« los und erschießt  wehrlose, unschuldige Menschen – darunter auch Frauen und Kinder.  Nachdem die Stadt schon von einem schweren Erdbeben 2011 heimgesucht  wurde, walzt sich jetzt eine menschliche Tragödie durch die Stadt im »Herr der Ringe«-Land. Die Tat ist nicht zu entschuldigen. Den Angehörigen unser Beileid.
Doch  wie immer in diesen Fällen: Cui bono – Wem nützt es? Wir beobachten in  der Redaktion mal wieder, dass in den üblichen Kanälen, die bei  islamistischen Taten zu Mäßigung, Einheit, Differenzierung,  Nicht-Instrumentalisierung und Toleranz aufrufen, jetzt schon scharf  gegen alles (!) »Rechte« und »toxische Nischenkulturen«  angegiftet wird. Sinngemäß: »Pepe hat mitgemordet«. Wir haben uns in  der Redaktion in den letzten Tagen über die unterschiedlichen Facetten  der medialen und öffentlichen Reaktionen unterhalten und gerätselt, was  sich wohl durchsetzen wird.Der Täter klaubte sich aus allen  möglichen Quellen seine Ideologie zusammen. In seinem Manifest  bezeichnet er sich als Öko-Faschist, der viele Ansichten des ehemaligen  Führers der britischen Faschisten Oswald Mosley teilt, gleichzeitig aber  das kommunistische China als Nation benennt, das seinen politischen  Anschauungen am nächsten kommt. In seinem Christsein fühlt er sich aber  unsicher und wusste es nicht zu bestimmen. Wie oben schon geschildert,  bietet er mit diesem Sammelsurium an ideologischen Versatzstücken genug  Futter für Journalisten, die ihn jetzt in eine Reihe mit rechten,  rechtspopulistischen oder eben nicht mit dem Mainstream einverstandenen  Menschen stellt.
Gleichzeitig weist die rechte – nicht nur, es gibt  ein paar Ausreißer – Publizistik auf die Widersprüchlichkeit und  Verwirrtheit der Anschauung hin. Es ist zweifelhaft, dass das bei der  eher linken Gegenseite verfängt. Zu sehr nährt es doch den Strohmann der  »antiislamischen Diskurshoheit« und des rechtsextremen Rollback. Kritik  am Islam oder islamischer Masseneinwanderung wird damit erneut unter  einen schweren Generalverdacht gestellt. Hamed Abdel-Samad berichtet in  einem Facebook-Post von Nachrichten, die er jetzt erhält, die ihm eine  Mitschuld zuschanzen möchten. Damit stehen die Absender solcher  Nachrichten nicht alleine da: Der türkische Präsident Erdogan macht  gleich eine antiislamische Verschwörung aus, an der natürlich  europäische Nationen mitschuldig sind. In »Konstantinopel« demonstrieren  einige hundert Menschen dafür, die Hagia Sophia wieder in eine Moschee  zu verwandeln. Es beginnt eine Spirale und Eigendynamik der Paranoia,  gegenseitiger Anschuldigung und des Hasses. Die Tat und die vom Täter  bereitgestellte Erklärung stellt für alle Beteiligten scheinbar  handfeste Punkte zur Verfügung, die Gegenseite zu attackieren. 


 Doch warum empfiehlt er dann ausgerechnet, den YouTuber PewDiePie zu liken?  Wegen einiger aufgekochter Skandale um den berühmten Schweden; weil  dieser dadurch Teil einer antisemitischen, rechten Nischenkultur sein  soll – zu dem ihn einige wirre Autoren hingeschrieben haben? Außerdem  ist da noch die Live-Übertragung der Tat, die er sogar bis auf die Musik  orchestriert. Am Beginn des Videos läuft der berühmte Marsch »British Grenadiers«  im Hintergrund. Was mir bei rechtsextremen Rassefanatikern immer wieder  auffällt ist, dass die neue Reinheit der Rasse durch Akte stumpfer  Brutalität geschehen muss. Daher geht – bei aller Verehrung von  Uniformen und gestählter Körper – ein gewisser Hang zu einer  nihilistischen Anarchie und Verehrung des Todes einher. Nichts darf die  Reinigung der Rasse aufhalten. Kein Gott, kein Gesetz, kein Staat – man  selber setzt das um. Eine verquere Version von Nietzsches Übermensch.  Legitimiert wird der Täter nur durch »seine« Rasse, aber letzten Endes  wieder nur durch sich. Der Mörder von Christchurch beschwört Bewegungen  in den verschiedensten Ländern, aber bleibt doch ausgesprochen  unkonkret. Anders als ein islamistischer Terrorist, kann er sich auf  keine bedeutende Gruppierung berufen, wie die Boko Haram, den  Islamischen Staat o.ä. Seine »weiße Rasse« bleibt diffus. Die von ihm  benannten historischen Ereignisse und Bewegungen sind extrem  variantenreich. Allerdings ist die ganze Inszenierung so, wie wir oben  sehen konnten, absichtlich voll mit Symbolen und Momenten, von der jeder  etwas herauspicken kann. Sicher wird er in einigen, den üblichen,  Kreisen gefeiert werden. Aber darüber hinaus? 

 Daher machen wir es kurz: Dieser Typ wusste, wie er die Medien  bespielen kann, wie er sich – ausgerüstet mit einem Versatzstückkasten  mehr oder weniger rechter Elemente – selbst In-Wert-setzt, während er  anderen Menschen das Leben nimmt. Die Verteidiger von Wien kämpften für  ihre Stadt, ihre Familien, ihr Land, für Ruhm, für Gott, für ihren  Landesherren und vielleicht das blanke Überleben. Sie hielten ein  Imperium auf, drängten die Fremdherrschaft zurück.In den Moscheen  schmissen sich alte Männer in den Kugelhagel, um jüngere zu schützen  oder versuchten sich dem Täter in den Weg zu stellen.Für die Hinterbliebenen der Tat wird jetzt Geld gesammelt, die Nation erklärt ihre Solidarität. Schulklassen tanzen Haka.Und der Täter? Aus ihm wird sicher ein Meme. Darüber hinaus wird er alleine bleiben. 


Bild: Pixabay


https://younggerman.com/2019/03/19/christchurch-rassenkrieger-ohne-rassenkrieg/

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