Die Schere zwischen arm und reich öffnet sich immer weiter. Der gesunde Mittelstand dünnt sich aus. Wer das Glück hat, einen durchschnittlich gut bezahlten Job zu haben, bekommt nach einem langen Arbeitsleben zwar eine sichere Rente von Vater Staat. Diese wird aber zum Leben nicht reichen. Die Zahl derer, die ohnehin aufgrund lückenhafter Arbeitsbiografien oder erfolgloser Selbständigkeit später auf Sozialhilfe angewiesen sein werden, steigt. Bei immer mehr Menschen reicht ein Einkommen schon lange nicht mehr aus, um das normale Leben bequem zu finanzieren. Sogar Kinder zu haben, erhöht mittlerweile das Armutsrisiko. All' das ist nichts Neues und wird von sehr vielen Menschen hierzulande einfach hingenommen oder gar ignoriert: Was soll man machen? Oder: Wird schon gut gehen.
Wer obendrein zu denen gehört, die sich ausgebrannt fühlen, oder die feststellen, dass es bezüglich Job, Verdienst oder gar Frust, einfach so in ihrem Leben nicht weiter gehen kann, hat schon mal für sich persönlich ein Problem erkannt. Das ist ja bekanntlich der notwendige Schritt, eine Veränderung herbeizuführen.
An diesem Punkt angekommen, ist man dann sozusagen ein gefundenes Fressen für all' die Bauernfänger da draußen, die plötzlich daherkommen und von DER großen Chance berichten, wie sich von Heute auf Morgen die Situation positiv verändern lässt.
Das Spiel beginnt immer gleich und ich habe es in den letzten Tagen einmal mehr live erlebt:
Da gibt es diese eine Bekannte (Korinna), die sich aktuell beruflich verändern will. Dies weniger aus finanziellen Gründen, sondern vielmehr aus Frust über ihre aktuelle Tätigkeit. Und da gibt es die andere Bekannte (Tanja), die dies (beide sind befreundet), von ihr auf einer Party erfuhr. Wie soll es anders sein, befindet sich Tanja auch in einer Situation von Frust und Unzufriedenheit. Sie erzählt also plötzlich etwas von DER absoluten Hammerchance, die sie kürzlich kennenlernen durfte. Sie spricht von Selbstbestimmung, von der Chance auf finanzielle Freiheit, von passivem Einkommen und von Menschen dort, die alle so nett und gut sind, die sich gegenseitig unterstützen, so, wie sie es zuvor noch nie erlebt hat:
"Du, vielleicht ist das ja auch was für dich. Es ist alles ganz easy, wenn nicht jetzt wann dann ..... bla bla bla bla ....!"
"Was muss ich machen?" Logische Frage. Schon rollt das Spiel an.
Tanja lädt also Korinna zu einem Treffen zu sich nach Hause ein. Alles ganz ungezwungen natürlich: "Keine Angst, du musst nichts kaufen. Einfach nur mal zuhören und dann schaust du mal. Du wirst begeistert sein." Ein paar Tage später erfahre auch ich von dem Treffen und bin natürlich auch interessiert, wenngleich aus ganz anderen Gründen. Mich interessierte nur, ob sich da in den letzten 20 Jahren etwas verändert hat. Nein, es ist immer der gleiche Schmalz, der auf diesen Haustreffen vorgetragen wird. Es ist nur der Laden dahinter immer wieder mal ein anderer.
So kommen wir also am Start ins Pfingstwochenende dort an. Neben unseren Freunden Tanja und ihrem Mann sind auch ein paar Nachbarn von denen dabei und eine zugegeben attraktive junge Frau (Anna) mit ihrer Tochter im Schlepptau. Anna samt Tochter scheinen nicht tatsächlich dazu zu gehören. Tanja bittet uns also Platz zu nehmen, rund um den Tisch mit Knabbereien, Bier, Wein und anderen Gaumenfreuden und nach einem kurzen smalltalk beginnt sie von ihrer aktuellen Frustsituation zu berichten. Alles das oben zu Beginn genannte kommt natürlich hier mit in der Einführungsrede zur Sprache. Ja und nun hat sie DIE Chance ihres Lebens kennengelernt und würde aber, da sie sich noch nicht ganz so gut auskennt, das Wort gerne an Anna übergeben, da diese bereits seit 2 Jahren "dabei" ist und hier der Profi am Tisch wäre.
Nun folgt das, was dann auch immer folgt. Anna erzählt ihre Lebensgeschichte und wie sich diese vor 2 Jahren endlich positiv verändert hat. Das Beste: Sie wäre froh, dass wir alle da sind, denn: Sie wäre demjenigen, der ihr einst von dieser großen Chance berichtete sehr sehr böse, wenn er dies nicht getan hätte. Ich verschluck mich am Astra.
Nun soll auch jeder andere am Tisch von sich erzählen. Ich erzähle auch von mir und dass ich selber mehr als 15 Jahre in einem Strukturvertrieb der Finanzbranche tätig war, mich aber von diesem System losgesagt habe, vermeintlich neue Dinge gerne hinterfrage und vielem mittlerweile kritischer gegenüberstehe, als noch damals in meiner jugendlichen Sturm und Drang Zeit. Ich selbst kenne alle Hypes der Strukkis und war lange Zeit ein sehr erfolgreicher Teil des Systems. Den letzten Satz erwähne ich aber vorsichtshalber nicht, um die gute Laune am Tisch aufrecht zu erhalten.
Das MLM-System, um das es hier in gemütlicher Runde geht, dreht sich um Nahrungsergänzungsmittel und dass Menschen schließlich heute ohne diese nicht mehr leben können, ja: früher als andere dem Tode geweiht sein werden. Vorher-Nachher Fotos von Anna machen die Runde. Sätze wie "Lachs ist mittlerweile das giftigste Lebensmittel der Welt" oder "in unserer Nahrung befinden sich kaum noch lebensnotwendige Vitamine, Spurenelemente oder Mineralstoffe" oder "mein Bekannter war sehr krank und seit der Einnahme von ..... ist er kerngesund". Mir wird flau im Magen. Ich erinnere mich daran, dass einer deutschen Brauerei untersagt wurde, ihr Bier als "bekömmlich" zu bezeichnen ....
Es würde aber heute nicht um das Produkt gehen. Anna hat weder Produkte noch Verträge dabei. Vielmehr geht es um die Chance, sein Leben positiv zu verändern, ja und natürlich damit viel Geld zu verdienen. Immerhin kommt Anna bereits auf beachtliche 3.000 EUR jeden Monat, bequem von zu Hause aus. Und das, trotz Kind und nur halbtags. Und sie hilft Menschen, wie auch Korinna hin zu einem gesunden Leben. Ich sehe das Schnaps- und Weinregal links neben mir an der Wand und denke: Da könnte in Anzahl und Qualität manch kleine Kneipe neidisch werden. Hier hat Anna sicher viel Arbeit vor sich. Der Nachbar vom Controlling der Hamburger Hochbahn wirft ein, dass ihm sein Job Spaß macht und dass das nichts für ihn wäre. Anna erwidert, dass es darum doch auch gar nicht geht. Aha.
An der Stelle dann kurze Pause: Wir trinken Bier und Wein, essen Chips, Flips und Gummibärchen. Schnaps will keiner. Korinna geht schnell zum rauchen auf die Terrasse. Auch ohne all dass können viele Menschen heute wohl nicht leben. Ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, gehöre ich doch zusammen mit Tanja weder zu den Pillenschluckern und Shakemixern noch zu den Rauchern. Man schätzt und regelmäßig zwischen 10 und 20 Jahre jünger ein, als wir tatsächlich sind. Ich habe 24 Jahre verpestete DDR gesund überlebt. Ok. ich schweife ab ....
Später kommt es dann doch noch zu Diskussionen über den Sinn des Ganzen und das mit der schlechten Nahrungswelt und so. Aber Gier frisst bekanntlich Hirn und Anna schwenkt schnell auf den Erklärungsversuch des Provisionssystems um, und wie einfach es wäre, sich hier ein Team aufzubauen. Schließlich muss man nur weiterempfehlen und nichts verkaufen. Geht alles ganz einfach. Sie selber stehe ja noch ganz am Anfang und über ihren Job als Fitnesstrainerin kommt sie schnell ins Geschäft. Einige im Team sind sogar Ärzte oder Heilpraktiker und empfehlen das System erfolgreich und profitabel. Jeder Anwalt hätte jetzt seinen Spaß.
Ich hole mir ein zweites Astra. Am Ende bekommen alle ein Buch geliehen. Zum Lesen für zu Hause, für die kommenden 14 Tage, geschrieben von einer, die es geschafft hat. Deutschlands Nummer eins. Das schafft ihr auch, wenn ihr es wirklich wollt! Der von der Hochbahn muss nach Hause, weil er nun doch nach Hause muss. Okay, befindet Anna. Von einem anderen wird danach berichtet, der zusammen mit seiner Frau so um die 50.000 EUR monatlich verdient. Deshalb musste er nun sogar eine GmbH gründet. Da schau her. Sachen gibts.
Und nun?
Natürlich sollte man Freunden auch konstruktiv helfen und Dinge hinterfragen. Steckt aber jemand gefangen in einem Hype, so ist das, siehe Bitcoin und co. oder hier bei Steemit, sehr schwer, auch durchaus kritisches anzunehmen oder zu äußern. Das Hirn wurde schon einmal vorgewaschen. Jedoch ist immer da wo Licht ist, auch Schatten. Für die meisten allerdings ist im Schatten auch manchmal etwas Licht.
An der Stelle ist mir eines Wichtig: Ich bin absolut für MLM Vertriebssysteme. MLM ist eine hocheffiziente Vertriebsform. Allerdings bin ich gegen Schneeballsysteme oder Systeme, die zumindest Züge von Schneeballsystemen aufweisen. Manche Firmen haben die Grauzone zwischen MLM und Schneeballsystem gut gelöst.
Woran kann man das festmachen? Was wären die 7 Warnzeichen?
- Kritik ist unerwünscht.
- Das Versprechen, es geht alles ganz einfach.
- Die Auflage, man muss, um Geld verdienen zu können, erst einmal Geld investieren, egal ob einmalig oder regelmäßig. Hierbei ist es egal, ob sich das "Clubbeitrag" oder "Selbstkonsum des Produktes" nennt. Manchmal heißt es auch "Kauf der Erstaustattung zum Präsentieren"
- Wirklich viel Geld kann ausschließlich durch das Werben von neuen Partnern verdient werden.
- Das Versprechen, schnellen Reichtum, passives Einkommen und finanzielle Freiheit in kurzer Zeit erreichen zu können.
*Der Zwang an Meetings und Motivationsveranstaltungen teilnehmen zu müssen. - Dieser Punkt ist, zumindest für mich der wichtigste: Der Vertrieb eines Produktes baut sich auf unwahren Behauptungen auf, oder auf Behauptungen, die sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen.
- Zusatzpunkt: Wenn es erst gar kein Produkt gibt, sollten ohnehin alle Alarmglocken läuten.
Ich wollte wissen, ob sich etwas verändert hat, seit es die Strukkis gibt, von denen jeder sicher einen kennt, und mit deren Systeme Milliardenumsätze generiert werden.
Das meiste kommt aus USA. Soweit alles wie gehabt.
Ja, es hat sich eines verändert, seit den 90-ern:
Durch die Digitalisierung ist es heute im Vergleich zu früher möglich, Konzepte, Dienstleistungen oder Produkte zu vertreiben ohne etwas wirklich selbst verkaufen zu müssen. Und man muss das jeweilige weder ankaufen, noch lagern.
Das Zauberwort hier: Empfehlungsmarketing.
Man muss also einfach nur das System weiterempfehlen und der Empfohlene generiert durch das Nutzen des Produktes sowie natürlich durch seine Weiterempfehlung an neue Nutzer oder Interessenten die Provision. Das finde ich genial einfach und einfach genial.
Wäre da nicht, wie im Fall von Anna und Tanja das Produkt der ach so notwendigen Pillen und Pulverchen mit den dazugehörigen leeren Phrasen. Obendrein muss hier jeder aus der Empfehlerkette mtl. für mindestens 65 Euro selber die Mittelchen bestellen. Siehe Punkt 3 oben. Das sollte einem doch die Gesundheit wert sein. Wer das nicht investieren will, der sollte es mal mit Krankheit versuchen - gähn.
Der Nutzen der Produkte mit denen Anna schon Profi ist, kann dabei mehr als fragwürdig erscheinen und dieser ist zudem tatsächlich wissenschaftlich nicht belegt. Stimmt natürlich alles nicht, sagt Anna und Tanja ist begeistert. Aber egal: Manchmal heiligt der Zweck eben auch die Mittel. Um Gesundheit ging es an dem Abend zum Schluss dann auch wieder: Es gab viel Wein, Bier, Chips, Schokolade und Zigaretten. Ein Schnaps schadet nicht. Da fällt mir nur noch eines ein:
Tschakka - wir schaffen das!
Und sonst so?
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