Medien 017 - Europas Ernte - dreckig oder sauber?

in #deutsch6 years ago (edited)

28. Juli 2018

Vor einigen Wochen wurde beim deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD eine Dokumentation gesendet mit dem Titel Europas dreckige Ernte [1]. Es ging darin um die riesigen Gemüse- und Früchteplantagen im Süden Spaniens. Italienische werden auch erwähnt. Wem das nicht bekannt ist, dem sei gesagt, dass im Süden Spaniens auf riesigen Flächen substantielle Teile der Versorgung Europas mit Früchten und Gemüse hergestellt werden. Gemüse aus Spanien kann man auch im Winter aus Spanien kaufen, zumeist zu sehr konkurrenzfähigen Preisen.

Von Alicante bis nach Málaga kann man schon mit einem Blick auf Google Maps an vielen Stellen unnatürlich helle Flächen erkennen. Das sind zumeist überdeckte Plantagengebiete. Der Markt ist hart umkämpft, vom kleinen Betrieb bis zum Riesen mit mehr als 1'000 Mitarbeitern ist alles vorhanden. Wie in nahezu allen anderen produzierenden Branchen auch, ist die Wertschätzung für diese Produkte nicht besonders ausgeprägt. Die würde wohl erst dann wirklich zum Tragen kommen, wenn sie fehlen.

Wegen der niedrigen Preise kann man sich vorstellen, dass nicht zuletzt beim Personal gespart wird. In der Dokumentation werden einige Neuankömmlinge aus Afrika gezeigt, die auf den Plantagen harte Tage zubringen. Sie wenden Pflanzenschutzmittel ohne Schutzausrüstung an, arbeiten länger als sie sollen und verdienen weit weniger als es qualifizierte Arbeitskräfte in Europa normalerweise tun. Es wird auch moniert, dass europäische Vorschriften teilweise systematisch nicht eingehalten würden. Das dürfte wohl mit der Unzulänglichkeit der Politik allgemein zu tun haben. Allerdings ist daran zu denken, dass auch ausserhalb der EU Lebensmittel produziert werden, zu Bedingungen, die die EU höchstens sehr beschränkt mitbestimmen kann. Als Exportgebiet ist Europa für nahezu die ganze Welt interessant, da hier noch immer sehr viele verhältnismässig wohlhabende Menschen leben. Was sich hoffentlich in den nächsten 50 Jahren auch nicht ändert, will ich hier eindeutig angemerkt haben. Ein gewisses Mass an Protektionismus kann man aus europäischer Sicht nachvollziehen, da Bauern zu einer substantiellen Eigenversorgung und zur Pflege der Landschaft beitragen. Wobei riesige, überdachte Plantageflächen eher nicht als Landschaftspflege gelten.

Die Reporter lassen den Betrachter spüren, dass sie darüber entsetzt und schockiert sind. Aber das sollten sie eigentlich nicht sein, nur schon wenn sie auf die Realität achten, in der noch immer viele Europäer selbstverständlich leben. In der Europäischen Union (EU) etwa in Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Kroatien und den baltischen Ländern, dem ehemaligen Osten. Auch in den südeuropäischen Ländern Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, dazu auch Frankreich, steht längst nicht alles zum besten. Ausserhalb der EU auf dem Balkan, in Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Albanien, Mazedonien, dazu im Osten in Moldawien und der Ukraine ist es keine grosse Leistung, bittere Armut in der Mitte der Gesellschaft zu finden. Im Norden Europas muss man sich etwas mehr anstrengen, um auf wirklich arme Menschen zu stossen, aber auch da ist es definitiv möglich.

Wenn ich es einmal in eine europäische Großstadt schaffe, begegne ich eigentlich jedes Mal einigen offensichtlich armen Menschen. Aber auch solchen, die offensichtlich Schwierigkeiten haben, ihr Geld in eine blühende Zukunft zu investieren und stattdessen kurzfristigen Konsum vorziehen. Um gar keine Armut mehr zu sehen, muss man sich wohl in einen Kokon zurückziehen, darin leben und sich keine Gedanken um die Umgebung mehr machen. Natürlich ist es wohl möglich, fast ausschliesslich unter seinesgleichen zu verkehren, wobei der eine oder andere Blick über den Tellerrand aus meiner Sicht wohl dazugehören sollte, aus persönlichem Interesse heraus.

In der Dokumentation wurde auch erwähnt, dass die beiden grossen, deutschen Supermarktketten Aldi und Lidl zu den engagierten Preisdrückern gehören. Kein Hersteller wird gerne im Preis gedrückt, das ist definitiv richtig, vor allem dann, wenn er nahe an der Grenze zum Verlust operiert. Aber auch in Deutschland gibt es eine Vielzahl von Menschen, die es nicht vermögen, hochpreisige Lebensmittel zu kaufen. Wäre es anders, brauchte es keine Tafeln, gäbe es die genannten Supermärkte nicht, bräuchte es wohl noch mehr Tafelangebote. Insofern vertreten diese Supermärkte durchaus deutsche Interessen, auch wenn es bedeutet, dass andere im Preis gedrückt werden.


Ich habe deswegen durchaus etwas provokativ kommentiert und einmal auf eine Nachfrage geantwortet. In meinem bekannten Stil. Leider ist es bei YouTube so, dass meine Kommentare nur selten grössere Beachtung finden. Ich schreibe sehr wenige davon und zumeist sammeln Kommentare von Konten nahezu ohne Abonnenten viel mehr Likes als ich.

Das sind halt die kleinen Nebeneffekte oder Negativsegnungen des EU-Korporatismus. In Deutschland tut man bekanntlich die ganze Zeit so, als wäre Europa ein Allheilmittel für nahezu alles, was irgendwie politisch beackert werden kann.

Ich kaufe deswegen bio einheimisch, normal einheimisch (deutschsprachiger Raum) und sonst aus Osteuropa, das sind Länder, die weitgehend unverschuldet über Jahrzehnte gelitten haben und Einnahmen gut brauchen können. Griechenland, Italien, Spanien, Frankreich und bald auch Deutschland scheinen es wohl hinter sich zu haben, trotz Überfluss an Bruxellarischer Schönwetterrhetorik.

Vielleicht sollte man die Freiheit des Einzelnen ausbauen, Steuern für Mittelständler senken und die Menschen mehr in Ruhe lassen, dann schauen sie auch dazu, dass ihre Umgebung in Ordnung bleibt und solche Schandflecken im eigentlich verhältnismässig gebildeten und weit entwickelten Europa nicht mehr vorkommen.

Und übrigens, gäbe es in der EU genügend Prosperität und Arbeitsplätze und wenn die Einwanderer so qualifiziert wären, wie gerne behauptet, gäbe es keinen einzigen solchen Katastrophen-Arbeitsplatz wie hier gezeigt. Also sollte man endlich 75+% der Regulierungen kippen, keine Grosskonzern-Privilegienwirtschaft mehr machen, um ein echtes Trickle-Down nach unten auszulösen.

Die Supermarktketten sind hier übrigens weder Schuld noch die Bösen, noch wirklich mächtig wie hier fälschlicherweise mal wieder behauptet. Mächtig sind Staaten und die ruinieren gegenwärtig nahezu alles mit ihrer nicht anreizbereinigten Interventionspolitik. Sie sind die wahren Ausbeuter und da kann man auch gerne 10 Ausrufezeichen setzen, weil das von den ÖR-Medien partout nicht begriffen wird. Wes Brot ich ess', des Lied ich sing, auch wenn es ein hässliches Lied ist, das keinen Ansatz von Ästhetik und Harmonie mehr beinhaltet.

Wenn Standards nicht eingehalten werden, warum hat man sie dann? Ist die EU ein Diener an der Menschheit Europas und weltweit oder ist sie ein Papiertiger, Dienstleister vornehmlich an Bürokraten und eine Lebenslüge?


Meine Antwort auf die Frage, was ich unter einer nicht anreizbereinigten Interventionspolitik verstehe. Dazu wurde ich gefragt, warum denn die beiden grossen, deutschen Supermarktketten Aldi und Lidl immer reicher würden. Dazu muss ich zugeben, über deren Rendite nicht informiert zu sein. Würden sie mit ihrer Tätigkeit keine Gewinne mehr erzielen, hätte diese Art von Betätigung wenig Sinn. Wie sollte man sonst Kunden einmal entgegenkommen können, neue Filialen gründen, in Umbauten investieren oder vielleicht auch Mitarbeitern mal einen Bonus bezahlen? Deswegen meine Antwort:

Die werden reicher, weil sie eben arbeiten und täglich Millionen von Kaufverträgen mit Kunden abschliessen, die sich in der Regel auch für sie selbst lohnen. Sonst würden sie das nicht (mehr) tun. Der Anreiz hat zwei Seiten, erstens macht man gerne ein gutes Geschäft und erfüllt Bedürfnisse der Kunden.

Auch in Deutschland gibt es nicht nur gutbetuchte Leute, die darauf angewiesen sind, dass Lebensmittel nicht allzu teuer sind und in deren Interessen sind diese Preisdrückereien auch, auch wenn sie für die Produzenten alles andere als angenehm sind. Generell gilt, arme Kunden, arme Produzenten. Wobei, natürlich kann es auch sein, dass einige Leute Nahrung nach dem Prinzip 'Hauptsache günstig' einkaufen und ihr Geld lieber für anderes ausgeben.

Ich bin auch der Ansicht, dass Produktion ganz allgemein, nicht nur landwirtschaftliche, auch industrielle wieder höher wertgeschätzt gehört, aber so läuft es gerade leider nicht, auch wegen des riesigen Dickichts an Vorschriften. Und man kann das auch nicht einfach verordnen, das muss schon wachsen.


[1] Europas dreckige Ernte, ARD YouTube Kanal, 11. Juli 2018
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Málaga
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Alicante


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Bin genau deiner Meinung! Die meistem Schwerter haben zwei Schneiden.

Danke für den Kommentar!

Genau, und weil das so ist, beinhaltet ein einseitiges Skandalisieren und Aufbauschen meist nicht die ganze Wahrheit. So sehr ich der Ansicht bin, dass jeder Hersteller eines gefragten Produktes auch einen anständigen Preis verdient hat, so sehe ich auch dass Handel, Logistik und Endverkäufer auch ihren Anteil wollen.

Man kann auch sehen, wie die Spirale läuft. Nahezu jeder freut sich, wenn er hübsche Waren aus den nächst ärmeren Ländern kaufen, dort Urlaub machen und möglicherweise mal in einem der reicheren Länder arbeiten kann. Probleme gibt es oh Wunder am ehesten ganz unten, wenn sie dort Marktwirtschaft machen, kommen sie trotzdem hoch.