Vermögensabschöpfung im Strafverfahren
Neben einer Geld- oder Freiheitsstrafe drohen im Fall einer strafrechtlichen Verurteilung auch Maßnahmen derVermögensabschöpfung. Dadurch sollen Straftätern rechtswidrig erlangte Gegenstände oder Vermögenswerte entzogen werden. Der Grundgedanke ist, dass nicht nur der Täter nach Maßgabe seiner Schuld bestraft werden soll, sondern auch sein „Gewinn“ aus der Straftat neutralisiert werden soll.
Zum 01.07.2017 sind vielfältige Änderungen an mehreren Stellen des StGB und der StPO in Kraft getreten, mit denen die Vermögensabschöpfung im deutschen Strafprozessrecht von Grund auf renoviert worden ist. Mit der Reform wurde eine EU-Richtlinie umgesetzt, mit der das Konzept der Vermögensabschöpfung europaweit harmonisiert werden soll.
Die wichtigsten Änderungen und kontroversesten Streitpunkte sollen hier kurz dargestellt werden.
Vermögensarrest - Handlungspflicht der Justiz
Bereits vor der Reform war es möglich, schon während des Ermittlungsverfahrens einen vorläufigen Arrest über Vermögenswerte zu verhängen, also eine Art „U-Haft für Geld“. Der entsprechende Paragraph ist nur wenig, aber dafür an einer entscheidenden Stelle geändert worden. Jetzt heißt es in der Strafprozessordnung:
§ 111e StPO - Vermögensarrest zur Sicherung der Wertersatzeinziehung
(1) Ist die Annahme begründet, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen, so kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, so soll (Hervorhebung d. Verf.) der Vermögensarrest angeordnet werden.
Was vorher eine Kann-Vorschrift war, ist nun eine Soll-Vorschrift. Die Staatsanwaltschaften sind nun also in der Pflicht, sich um Arrestmaßnahmen zu kümmern, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.
Abschaffung der Rückgewinnungshilfe
Eine andere wesentliche Änderung besteht in der Abschaffung der sogenannten Rückgewinnungshilfe. So hieß es vorher im Strafgesetzbuch:
§ 73 StGB - Voraussetzungen des Verfalls [bis 30.06.2017]
(1) 1Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden und hat der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Verfall an. 2Dies gilt nicht, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, dessen Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde.
Die Justiz hat sich also gewissermaßen zurückgehalten, um dem Geschädigten einer Straftat für die mögliche Geltendmachung seiner Ansprüche gegen den Straftäter - etwa auf Rückerstattung eines gestohlenen Geldbetrages - den Vortritt zu lassen. Allerdings ist es eher selten, dass Verletzte solche Ansprüche auch tatsächlich verfolgen.
Damit die Früchte der Tat dem Täter dadurch nicht doch zugute kommen, hat man diese „Vorfahrtsregel nun gestrichen:
§ 73 StGB - Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern
(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.
Nun ist es also grundsätzlich so, dass die Staatsanwaltschaft sich vorrangig um die Einziehung kümmert und ggf. Erlöse an den oder die Verletzten verteilt, falls diese Ansprüche stellen. Es kann bereits jetzt - ein Vierteljahr nach ihrem Inkrafttreten - festgestellt werden, dass allein durch diese Neuregelung der Anteil von Strafverfahren mit Einziehungsentscheidung stark angestiegen ist.
Erweiterte Einziehung
Die wohl am meisten diskutierte Änderung betrifft die sogenannte erweiterte Einziehung
§ 73a StGB - Erweiterte Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern
(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.
Im Klartext: es können Vermögenswerte unklarer Herkunft eingezogen werden - auch, wenn im aktuellen Strafverfahren (noch) nicht nachgewiesen werden kann, dass sie auch tatsächlich aus einer Straftat stammen. Die Norm ist zu Recht umstritten, da sie dem Grundprinzip des Strafprozesses zuwiderläuft, wonach sich das Gericht nur mit denjenigen Taten aus der Anklageschrift zu befassen hat (Akkusationsprinzip), statt ausgehend von der Person des Angeklagten dessen gesamten Vermögensstatus zu durchleuchten. Kritiker bemängeln außerdem, dass es hier zu einer faktischen Beweislastumkehr käme, wonach nun Beschuldigte gegenüber der Justiz nachzuweisen hätten, dass ihr Vermögen nicht aus Straftaten stammt.
Man muss allerdings feststellen, dass die vorher bestehende Norm zur erweiterten Einziehung auch nicht klarer gefasst war:
§ 73d StGB - Erweiterter Verfall [bis 30.06.2017]
(1) 1Ist eine rechtswidrige Tat nach einem Gesetz begangen worden, das auf diese Vorschrift verweist, so ordnet das Gericht den Verfall von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, daß diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. …
Auch hier war also bereits die Rede von einer bloßen „Annahme“, auf die die Vermögensabschöpfung gestützt werden konnte. Die Reform hat die Rechtsunsicherheit für Betroffene aus meiner Sicht daher weder verschärft noch beseitigt.
Fazit
Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass das Thema Einziehung durch die Reform viel mehr in den Fokus gerückt ist - Beschuldigte und Strafverteidiger müssen es unbedingt im Blick haben.
Da es sich nicht um eine Sanktion, sondern eine Maßnahme eigener Art handelt besteht zudem kein Rückwirkungsverbot - die neuen Einziehungsregeln können auch auf vor dem 01.07.2017 begangene Taten angewendet werden.
Straftaten sollen sich bekanntlich nicht lohnen - ob die Reform, mit der dieser Devise Nachdruck verliehen werden soll, auch tatsächliche Auswirkungen auf die Kriminalstatistik haben wird, muss die Zukunft zeigen.