Da meinen letzten Posts stets eine Foto-Tour meinerseits zu Grunde lag, waren meine Texte mehr oder weniger davon abhängig, ob ich denn gerade neue Fotos auf Lager hab oder eben nicht. Aufgrund des schlechten Wetters (vgl. Aprilwetter) konnte ich in den letzten Tagen/Wochen leider keine Foto-Tour vornehmen, was zur Folge hatte, dass auch keine Posts von mir kamen.
(Ich weiß, sich auf ein Format alleine zu beschränken ist nicht so intelligent haha)
Deshalb möchte ich hiermit ein neues, etwas wetter- und zeitunabhängigeres Format auf meinem Blog etablieren:
- melvin7 philosophiert -
In diesem Format werde ich mich mit philosophischen Texten und Strömungen von der Antike bis heute beschäftigen, sie kurz zusammenfassen und beschreiben, sowie auch meine eigenen Meinungen und Standpunkte einfließen lassen. Anschließend würde ich mich sehr über einen regen Gedankenaustausch über das Thema in den Kommentaren freuen!
Meine Katze Mimihops
#1 Peter Singer - Gleichheit für Tiere
Eröffnen möchte ich mein neues Format mit Peter Singer (*6. Juli 1946), einem australischen Philosophen mit österreichischen Wurzeln, der sich unter anderem sehr intensiv mit der sogenannten Tierethik auseinandersetzt.
In seinem Text "Gleichheit für Tiere" befasst er sich mit der Frage, ob und inwiefern Tiere mit uns Menschen gleichzusetzen sind und was dies für Folgen für uns haben würde, beziehungsweise hat.
Für Peter Singer spielt das "Gleichheitsprinzip" in der Tierethik eine wesentliche Rolle: Ganz egal, welche Natur ein Wesen hat - so lange es in der Lage ist, Schmerzen oder Emotionen wie Freude und Glück zu erfahren, ist es mit unserem eigenen Wesen gleich zu setzen. Somit zählt das Leiden eines anderen Wesens ebenso viel wie das eigene. Nur bei Wesen ohne Empfindungsfähigkeit ist das Gleichheitsprinzip nicht zu berücksichtigen.
Wir Menschen neigen dazu, "Speziesisten" zu sein: Das bedeutet, dass wir unsere eigene Spezies über die Spezies anderer stellen und dementsprechend auch andere moralische Bewertungen aufstellen. Ein klassisches Beispiel für "Speziesismus" wäre der Rassismus: Rassisten sehen sich als "Herrenrasse" an und messen dem Schmerz einer "niedrigeren Rasse" (z.B. Afrikaner) weniger Gewicht zu. Dadurch wäre Gewalt an der "anderen Rasse" legitimiert. Während ein solch extremer Speziesismus in der Gesellschaft aber verpönt und vielerorts auch verboten ist, ist Spezieismus gegenüber Tieren allerdings weitläufig legitimiert und kritiklos anerkannt: Der Schmerz, den zum Beispiel Schweine (Fleisch) oder Mäuse (Tierversuche) verspüren, ist doch nicht so schlimm wie unserer! - oder?
Genau diese Einstellung (welche ein Großteil der Menschheit teilt) ist laut Peter Singer eine Verletzung des Gleichheitsprinzips. Sind wir Menschen wirklich "mehr wert" und empfinden mehr/intensiveren Schmerz, oder sind Tiere uns aus dieser Sicht gleich zu stellen?
Man könnte nun zum Beispiel das Argument vorbringen, dass eine Maus, die an Krebs erkrankt ist, doch gar nicht weiß, dass sie Krebs hat und bald sterben wird und deshalb weniger Schmerz empfindet, als ein Mensch mit Krebs. Das ist richtig, sagt auch Peter Singer. Mäuse haben kein Bewusstsein in diesem Sinn, dass sie wissen was ihnen blüht (baldiger Tod durch Krebs). Dadurch leben sie bis zu ihrem Tod (mehr oder weniger) glücklich - anders als der Mensch: Er leidet schon vor seinem Tod, da er die Gewissheit hat, bald sterben zu müssen. Nach Peter Singer ist das aber nicht der Punkt: Er beruft sich auf die Gleichheit der Interessen beider Gattungen: Beide (Mensch und Maus) haben das Interesse zu leben. Ganz egal unter welchen Voraussetzungen. Nach dem Gleichheitsprinzip wären auch hier beide Gattungen gleich zu behandeln.
Eine Ausnahme gibt es aber: Ein Tierversuch wäre nach dem Prinzip der gleichen Interessenserwägung dann legitimiert, wenn durch das ("kleine") Leid des Tieres ein noch größeres Leid verhindert werden könnte.
Dazu nennt Peter Singer folgendes Beispiel: Angenommen man würde Menschen, die in einem Park herumspazieren, willkürlich einfangen und für Versuchszwecke verwenden. Die Menschen, die in diesen Park gehen, würden sich dann schon bevor sie gefangen werden fürchten. Dadurch wäre schon ab diesem Punkt ein gewisses Leiden des Menschen gegeben. Dieses Leiden ist dann zu dem Leiden des Experimentes hinzuzuzählen. Tiere hingegen sind nicht in der Lage, ihr Schicksal schon im Vorhinein zu befürchten, weswegen bei Experimenten mit ihnen insgesamt "weniger" Schmerz entsteht.
ABER: (Und jetzt kommt eine wunderbare Aussage, mit der Peter Singer provokant seine eigene These auskontert)
Wenn wir Tierversuche mit diesem Argument legitimieren, dann müssten wir genauso Versuche an Kleinkindern oder behinderten Menschen legitimieren. Denn weder Kleinkinder, noch (geistig) beeinträchtigte Menschen sind in der Lage, ihr Schicksal im Vorhinein zu erkennen. Sie müssten nach diesem Argument aufgrund ihrer "Menge an Schmerzen" mit (Labor)Mäusen gleichgesetzt werden. Wer also der Meinung ist, Tierversuche seien legitim und moralisch vertretbar, sollte sich selbst fragen, ob er auch bereit dazu wäre, Experimente an Kleinkinder oder behinderten Menschen zuzulassen.
Peter Singer stellt hier auf eine sehr provokante Weise unsere Einstellung gegenüber der "moralischen Wertigkeit" von Tieren in Frage. Er erschüttert uns und erreicht damit vielleicht genau das, was er von uns will: Wir sollen uns mit unserer Einstellung Tieren gegenüber auseinandersetzen und hinterfragen, wie weit unsere eigenen Moralvorstellungen reichen.
Vor allem der Punkt des (moralisch eigentlich mehr als zu verwerfenden) Speziesismus finde ich sehr interessant. Wir Menschen sind Speziesisten durch und durch und bekommen das auch schon von klein auf von allen Seiten beigebracht: "Wir sind die Herrenrasse der Erde, wir haben die Macht über alle Pflanzen und Tiere, Wir dürfen uns nehmen was wir wollen, Tiere sind dazu da um uns zu dienen/uns zu ernähren, usw..."
Was die Tierversuche betrifft, so bin ich vollkommen einer Meinung mit Peter Singer. Beim Verzehr von Fleisch muss ich mir aber eingestehen, dass ich ein Speziesist bin. Und was ich wirklich schlimm daran finde: Ich esse Fleisch wirklich gerne, könnte mir aber niemals vorstellen, ein Tier selbst zu töten. Und ich fühle mich irgendwie richtig schäbig dabei, wenn ich daran denke dass ich mit Genuss das Fleisch von Tieren verzehre, welche ich nie zu Gesicht bekommen habe und deren Leiden mir nie und nimmer bewusst ist.
Wie steht ihr zu dieser Thematik?
Seid ihr der Meinung Peter Singer hat Recht, oder findet ihr das völligen Schwachsinn?
Was haltet ihr von Tierversuchen? Sind sie in gewissen Fällen ok?
Seid ihr Vegetarier/Veganer? Wenn ja, wieso? Habt ihr euch über so etwas Gedanken gemacht, oder gibt es andere Gründe?
Was spricht dafür, Tiere zu töten, was dagegen?
Ich freue mich schon sehr auf eine angeregte Diskussion mit euch!
Quelle:
SINGER, Peter: Gleichheit für Tiere, In: HÖFFE, Otfried (Hrsg.): Lesebuch zur Ethik. Philosophische Texte von der Antike bis zur Gegenwart, Sechste, durchgesehene Auflage, München 2015: C.H. Beck Verlag, S. 421-423
Klasse Melvin, super Artikel!
Mit Singer hast du ja auch direkt ein ganz heißes Eisen angepackt.
Habe mich während meines Studiums anno dazumal viel mit ihm beschäftigt und bin ganz froh, dass er sich mittlerweile vom Philosophieren über die Wertigkeit des Menschen hin zu den Tieren gewandt hat. Ich finde seine Argumentation immer unschlagbar gut, was mich im ethisch-moralischen Bereich schon oft in Bedrängnis gebracht hat.
Liebe Grüße,
Chriddi
Danke für das Lob und vielen Dank für deinen Resteeem! :)
Ich freu mich immer so über Kommentare, danke auch dafür!
Ja ich hatte vor einigen Wochen eine Prüfung in Ethik und da hatte ich speziell die Tierethik von Peter Singer herausgearbeitet - ein wirklich spannendes Thema! Du hast vollkommen Recht, seine Argumente sind aus ethisch-moralischer Sicht wirklich pointiert, provokant und schwer auzukontern. Die perfekte Grundlage für eine angeregte Diskussion darüber, finde ich. :)
Bin schon gespannt, ob noch andere hier ihre Meinung dazu äußern. Wäre sehr spannend, wenn hier verschiedene Ansichten und Meinungen aufeinander treffen würden...
Moin lieber Melvin,
Da gibt es bei diesem Artikel auch ohne abgesprochenen Klickkreis ja wohl überhaupt keine Diskussion!
"Provokant" ist eine sehr gute Beschreibung. Der Singer "piekst" ganz schön und regt unglaublich zum Nachdenken, Hinterfragen, Reflektieren an.
Als er noch über die Wertigkeit des Menschen philosophierte und das Wort "Euthanasie" in seiner ursprünglichen Bedeutung vielfach verwendete, bekam er massiven Gegenwind, musste sich natürlich auch von weltweit anerkannten Geisteswissenschaftlern in die "Nazi-Ecke" stellen lassen. Zwar immer noch sehr umstritten, konnte er auch diese Verunglimpfung wortgewandt und stets argumentativ durchdacht von sich abwenden.
Lieber Melvin, es entsteht gerade nicht die Art Diskussion, die du dir vermutlich eher inhaltlich auf deinen Artikel bezogen gewünscht und echt verdient hast. Puh, aber mir ist echt zu warm dafür, meine Gehirnzelle schmilzt ;)
Ich freue mich auf mehr Beiträge deiner neuen Serie,
hab' ein schönes Wochenende,
ganz liebe Grüße,
Chriddi
Ich habe mich über die Tierethik hinaus noch garnicht so sehr mit ihm beschäftigt muss ich gestehen, aber es klingt sehr interessant... Ich glaube ich werde mich mal etwas intensiver in die Materie einlesen!
Kein Problem, vielleicht ergibt sich ja dann bei einem anderen Thema meiner Serie eine Diskussion - ich bin da zuversichtlich. Vielen Dank trotzdem für deine Kommentare! :)
Als nächstes ist ein Text von Benjamin Liebet über den freien Willen dran!
Ich kenne Benjamin Liebet nicht, werde nun auch nicht googeln, sondern ganz gespannt auf deinen Artikel warten. Da ich meinen Feed nahezu vollständig aus den Augen verloren habe, darfst du mich gern irgendwo auf das Erscheinen deines Beitrags aufmerksam machen!
Liebe Grüße,
Chriddi
Ja, mir geht es genauso! Leider hat Steemit hier ein massives Problem... Ab einer gewissen Anzahl an Personen, denen man folgt, wird der Feed sehr unübersichtlich und viele, wirklich gute Beiträge gehen völlig in der Masse unter...
Auch fehlt mir manchmal die Zeit für Steemit und ich komme dann garnicht mehr hinterher mit dem Lesen. (Ich muss zugeben, ich hab auch bei deinen neuesten Posts aus zeitlichen Gründen nur gevotet, ohne wirklich zu lesen - hab die Posts aber mit einem Lesezeichen versehen, dass ich sie mir (hoffentlich) noch durchlesen kann!)
Bist du auf dem D-A-CH-Discord Server vertreten? Dann schreib ich dir dort gerne eine Erinnerung! :)
Ich bin da angemeldet und wenn du mir eine PM schreibst, bekomme ich eine Email ;)
Hallo Melvin,
wow, ein interessanter Artikel. Von Peter Singer hatte ich bislang noch nichts gehört. Deine Zusammenfassung bringt interessante Anregungen, über die es sich nachzudenken lohnt. Ich glaube, ich teile seine Ansicht nicht komplett, doch gehe ich in einem anderen Bereich (möglicherweise) noch über seine Ansicht hinaus:
Ich halte es für anmaßend (oder "speziestisch" ?) zu glauben, dass wir Menschen uns ein Urteil darüber erlauben können, ob ein Tier Schmerzen zu erleiden vermag oder nicht. Wenn ein Tier auf einen Stimulus hin keine für uns wahrnehmbare Reaktion zeigt, halte ich das in erster Linie für eine Einschränkung in meiner menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit. Oder mangelnde Fantasie in dem Aufstellen geeigneter Messgeräte.
Dieser Mangel an Verständnis ist jedoch nicht allein auf Tiere beschränkt. Auch Pflanzen und Bäume kommunizieren. Ich habe gerade keine Quellen zur Hand, doch ich bin sicher das mindestens eine Wiesenblumenart (Klee?) sich untereinander austauscht, ob weidende Kühe in der Nähe sind. Entfernte Bäume reagieren auf das Ankommen von Fraßinsekten in einem anderen Bereich eines Waldes.
Doch diese Punkte machen mich nicht zu einem Fleisch- oder gar gänzlichem Nahrungsverweigerer. Stattdessen achte ich darauf, mit jedem Nahrungsmittel achtsam umzugehen und nichts zu verschwenden.
Bleiben einmal drei Löffel von der Bolognese-Sauce übrig, schmeiße ich sie weder weg, noch stopfe ich sie in mich hinein, wenn ich längst satt bin. Ich friere solche Reste ein. Gerade gestern haben wir einen so winzigen Rest aufgetaut, auf ein Fladenbrot gestrichen, mit etwas Käse bestreut im Backofen überbacken. Das war ein tolles, schnelles Essen und gibt noch dazu ein gutes Gefühl. Ein anderes Mal dient ein solcher Rest als Grundlage für eine schnelle Sauce oder Suppe. Auch beim Gemüse versuche ich möglichst viel zu nutzen und habe zur eigenen Überraschung festgestellt, das etwa die Stängel von Brokkoli oder Blumenkohl richtig zubereitet auch durchaus wohlschmeckend sind. Hier muss nichts weggeschmissen werden.
Zurück zu den Tieren: Ich setze Fleisch eher als "Würze" denn zentralen Teil meiner typischen Mahlzeiten ein. Damit ist Fleisch ein Teil, doch kein prägender Teil meiner Nahrung. Wann immer möglich, achte ich darauf, woher das Fleisch stammt und setzte mich gern dafür ein, dass Farmtiere ein angemessen gutes Leben führen. Sich einzig und allein auf die Tötung zu konzentrieren, erscheint mir zu kurz gegriffen.
Das ist jetzt viel länger geworden als gedacht. Ich sollte endlich mal einen Blogpost machen anstatt nur Kommentare zu schreiben... egal, Dein Artikel hat mich inspiriert und zum Nachdenken gebracht.
Mit dem Denken werde ich auch sicher noch etwas weiter machen. Danke dafür, Melvin.
Wow, was für ein langer Kommentar! Vielen Dank dafür, ich freu mich riesig, wenn ich sehe, dass es Menschen gibt, die sich wirklich Gedanken darüber machen, was ich in meinem Post so geschrieben hab!
Ich finde deine Einstellung Tieren gegenüber sehr schön und kann mich darin größtenteils wieder finden! Auch ich versuche mit Fleisch im Besonderen, aber eigentlich allen Lebensmitteln würdevoll und nicht verschwenderisch umzugehen. Leider ist mein Gefrierfach nicht wirklich groß, aber bisher hab ich es immer geschafft, alles rechtzeitig aufzuessen, bevor etwas schlecht wird. Inzwischen versuche ich sogar bewusst weniger zu essen, sodass ich zwar satt bin, aber nicht "übervoll".
Dein "Restl-Rezept" find ich super, bei Gelegenheit werd ich das mal ausprobieren :)
Was das Kommunizieren der Pflanzen betrifft, hab ich auch ähnliche Berichte gelesen und bin deshalb auch überzeugt, dass jeder lebende Organismus auf der Welt in irgendeiner Form kommuniziert und dementsprechend auch "mehr" kann, als nur da zu sein.
Ja, solltest du! ;) (Hab dir mal ein Follow dagelassen, vielleicht kommt ja mal was!)
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Hier ist Ihr Glückskeks:
Eine gesunde Gesellschaft erkennt man daran, daß Unbeliebtheit keine
prozentual signifikante Todesursache ist.