Als 1991 die Sowjetunion zusammenbrach, brachen zugleich Kubas erdölabhängige Wirtschaft und dabei vor allem, besonders schwerwiegend, die Landwirtschaft zusammen, es drohte eine riesige humanitäre Katastrophe. Die sogenannte "Período especial en tiempo de paz" hatte begonnen, die "Sonderperiode in Friedenszeiten". Kuba überlebte sie nicht nur wesentlich reibungsloser, als zu befürchten war, sondern weist heute eine gänzlich transformierte Versorgung mit Lebensmitteln auf. Der Dokumentarfilm "The Power of Community - How Cuba Survived Peak Oil" beleuchtet dieses blaue Wunder, das eigentlich grün ist. Und bietet zugleich eine Perspektive für andere Länder, bevor die wertvollen verbleibenden Ölreserven unwiederbringlich verschwunden sein werden.
"The Power of Community" - DVD Cover. Fotos: John M. Morgan.
"Período especial en tiempo de paz", "Sonderperiode in Friedenszeiten" oder kurz "Período especial", also "Sonderperiode": Das klingt nicht besonders spektakulär. Vor allem dann, wenn man sich vor Augen hält, was im Jahre 1991, das den Beginn dieser Zeit markierte, geschah: Die Sowjetunion und in ihrem Schlepptau ihr Imperium lösten sich auf, mit dramatischen Folgen für Kuba. Denn die Importe sanken insgesamt um rund 80 Prozent, genau wie die Exporte. Also, platt formuliert, "aus fünf mach eins": Nur noch ein Import- und Exportgut statt fünf, so etwa nur noch der Reservereifen, während das Auto ohne die vier anderen Reifen nackt auf den Felgen vor sich hin steht, nur noch eine Zigarre ins Ausland verkaufen statt wie vorher fünf.
Der für Kuba fundamental wichtige Erdölimport - denn nur rund 10 Prozent des Bedarfs konnte durch eigene Förderung gedeckt werden - reduzierte sich um mehr als die Hälfte. Das hatte für die Industrie und für die Landwirtschaft immense Folgen, denn beide waren in hohem Maße von Erdöl abhängig. Die Landwirtschaft in Form von Treibstoff für landwirtschaftliche Maschinen wie Traktoren oder Erntemaschinen und vor allem auch in Form von Kunstdünger und Pestiziden, für deren Herstellung - wie überwiegend auch in allen westlichen Industrienationen - Erdöl erforderlich ist. Die industrielle Nahrungsmittelproduktion kam fast zum Erliegen und die Importmöglichkeit war drastisch eingeschränkt, nicht zuletzt auch durch eine massive Ausweitung des Handelsembargos seitens der USA durch den Torricelli Act (1992) und den Helms-Burton Act (1996).1 Zwischen den Jahren 1989 und 1993 sank das Bruttoinlandsprodukt Kubas insgesamt um nicht weniger als 34 Prozent, ging also gut ein Drittel der Wirtschaftsleistung eines ohnehin wirtschaftlich nicht sehr starken Landes verloren.
Die befürchtete Hungerkatastrophe blieb jedoch aus, auch wenn die Kubaner bis 1994 durchschnittlich 9 kg Körpergewicht verloren. Kuba meisterte die große Notlage erstaunlich gut und durchlebte eine faszinierende Transformation. Das wird in Faith Morgans Dokumentarfilm "The Power of Community - How Cuba Survived Peak Oil" aufgegriffen und beleuchtet, vor allem auch in Zusammenhang mit dem immer noch kontroversen Thema "Peak Oil" und der damit verbundenen drastischen Verknappung des weltweit verfügbaren Rohöls, zu der es mehr oder minder bald, aber letztlich unausweichlich, kommen wird. Elf Filmpreise deuten bereits vor dem Einlegen der DVD darauf hin, dass der Betätigung der Play-Taste lohnende 53 Minuten folgen könnten. Der Film startet im englischen O-Ton, der einzigen Option - dafür gibt es auf Wunsch Untertitel in neun Sprachen, darunter erfreulicherweise auch Deutsch.
Einleitend skizziert der Film die oben geschilderte Ausgangslage Kubas nach dem "künstlichen Peak Oil", um danach zunächst das Thema "Peak Oil" zu erörtern, ausgehend von der Theorie über die Endlichkeit und Abnahme der Erdölreserven, die der Geologe Dr. M. King Hubbert 1949 formuliert hatte. Demnach wäre das Zeitalter der fossilen Energie vergleichsweise sehr kurz. Für die USA sagte er im Jahr 1956 die Produktionsspitze, also das nationale "Peak Oil", für das Jahr 1970 voraus und behielt damit Recht. Wenige Jahre später warnte Dr. Hubbert davor, dass bei starkem Wirtschaftswachstum die globalen Ölreserven relativ rasch erschöpft sein könnten.2
Es folgen Einzelhinweise auf neuere Forschungen und Publikationen zum Thema "Peak Oil" und die Feststellung, dass in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt 25 Bücher zu diesem Thema veröffentlicht wurden, neben mehreren hundert Beiträgen in Zeitungen und Magazinen. Das weltweite Ölfördermaximum wird im Jahr 2010 festgemacht, zusammen mit dem Hinweis, dass die globale Wirtschaft und somit die Nachfrage nach Öl weiter wachsen und das teilweise sehr stark.3 Ein sehr großer Teil des Erdölverbrauchs entfällt heute auf die Produktion von Nahrungsmitteln, die in ihrer gegenwärtigen industriellen Natur ganz wesentlich von Erdöl abhängig ist. Die Notwendigkeit eines "Laborexperiments" wird in den Raum gestellt, das zeigt, wie Gesellschaften die anstehende Verknappung der fossilen Brennstoffe, allen voran das Erdöl, handhaben können. Und hier kommen die Ereignisse in Kuba ins Spiel.
Frisches Bio-Gemüse auf dem Markt. Foto (dem DVD Cover entnommen): John M. Morgan.
Zu Beginn der "Sonderperiode" hatten die Einwohner Kubas vielfach gar keine andere Wahl, als jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, um selbst Gemüse zu kultivieren und Havanna verwandelte sich bald in einen großen Garten, in dem alle irgendwie für den Gemüsenanbau nutzbaren Flächen genutzt wurden - ohne den Einsatz von Kunstdünger und petrochemischen Pestiziden, denn die gab es schlicht und ergreifend nicht. Und auch ohne den Einsatz von notwendigem Wissen, denn das gab es - wenig verwunderlich - schlicht und ergreifend in der breiten Masse auch nicht. Abhilfe schufen da insbesondere Permakulturexperten, die dazu den weiten Weg von Australien nach Kuba nicht scheuten - es sollte laut Angaben im Film die einzige Hilfe aus dem Ausland bleiben.
Mit Unterstützung dieser Experten wurde ein Trainingsprogramm für Permakultur ins Leben gerufen. Neben dieser Bildungsmaßnahme zeigte sich, dass Kooperation und die Bereitschaft, auch für andere, teilweise wildfremde, Mitbürger Verantwortung zu übernehmen, deutlich anstiegen. Der Umstieg schuf eine Menge Arbeitsplätze und heute ist eine Tätigkeit in der Landwirtschaft obendrein hoch bezahlt - so hoch, dass zum Teil sogar Akademiker angelockt werden. Die rund 2,2 Mio Einwohner Havannas4 können sich heute zu 100% aus den städtischen Gärten versorgen.
Insgesamt beläuft sich der biologische Anbau auf rund 80% der kubanischen Landwirtschaft. Wurden in den 80ern pro Jahr rund 21.000 Tonnen chemische Pestizide eingesetzt, so sind es nun nur noch 1.000 Tonnen. Der Anbau erfolgt weitestgehend ohne fossile Brennstoffe, mit händischer Arbeit und kleinteiliger Bewirtschaftung. Vierzig Prozent der großen Staatsbetriebe wurden zu kleinen privaten Farmen transformiert, die Bauern erhielten das "Landrecht" - sie zahlen weder Pacht noch Steuern, vorausgesetzt, dass tatsächlich Landwirtschaft betrieben wird. Vor der "Sonderperiode" waren die Kubaner von Lebensmittelimporten abhängig, heute sind sie autark.
Die Landwirtschaft ist aber nicht der einzige Bereich, in dem grundlegende Änderungen erforderlich waren. Auch das Transportwesen musste sich wandeln. In einer ersten Notreaktion wurden rund 1,7 Millionen Fahrräder angeschafft. Aus einst 3 Universitäten wurden derer 50, die sich über ganz Kuba verteilen. Dabei blieb die Bildung kostenlos und auch die medizinische Versorgung - letzterer kam zu Gute, dass sich der Gesundheitszustand der Kubaner durch die Ernährungsumstellung deutlich verbesserte, denn neben dem Biolandbau brachte der Wandel auch eine deutliche Reduktion des Konsums tierischer Produkte mit sich, vor allem der Verzehr von Schweinefleisch ging stark zurück. Auch gab es starke Veränderungen im Bereich der Energieerzeugung und -versorgung, hier bot sich freilich Solarenergie an, aber auch Biomasse, aus der 30% des Energiebedarfs gedeckt werden.
Fazit: Faith Morgan fasst all das im Dokumentarfilm auf gelungene Weise zusammen, wobei die Inhalte so faszinieren, dass man gar nicht dazu kommt, auf die filmtechnische Umsetzung zu achten. Sie ist schlicht. Und hier sehr nebensächlich. Fossile Brennstoffe sind endlich, unabhängig davon, wie lange sie noch reichen mögen. Die Schadstoffaufnahmekapazität der Biosphäre ist ebenfalls endlich. Wenn es keinen entscheidenden Durchbruch bei der Entdeckung alternativer und sauberer Energiequellen gibt, droht ein ähnlicher potenzieller Kollaps auch vielen anderen Ländern. Kuba war "Laborratte wider Willen" und zeigte, wie es vielleicht gehen kann. Faith arbeitete dies filmisch auf. Danke dafür, sehenswert!5
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1 (Zurück) Seit dem Jahr 2000 gab es übrigens bereits mehrere UN Resolutionen zur Aufhebung des Handelsembargos, zuletzt im Herbst 2011 mit 187 befürwortenden Stimmen bei 2 Gegenstimmen (USA und Israel) - und seit dem Jahr 2000 ignorieren die USA diese Resolutionen beharrlich und demonstrieren einmal mehr, wieviel Gewicht und Bedeutung die so gerne beschworene "internationale Staatengemeinschaft" letztlich hat: Das dazu passende Geräusch lässt sich schwer in Worte fassen, doch man kann es produzieren, indem man die Zunge leicht aus dem geschlossenen Mund schiebt und kräftig pustet.
2 (Zurück) Die internationale Energieagentur geht davon aus, dass das globale Ölfördermaximum, also das globale "Peak Oil", bereits im Jahr 2006 erreicht wurde. Mehr Informationen dazu und generell zum Thema "Peak Oil" finden sich etwa auf Wikipedia unter folgendem Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Globales_%C3%96lf%C3%B6rdermaximum. An dieser Stelle sei vor allem auch auf die Arbeit des Energie- und Friedensforschers Dr. Daniele Ganser verwiesen, einem Schweizer Historiker - auf seiner Website http://www.danieleganser.ch/ findet sich eine Reihe von Informationen zu diesem Thema, insbesondere der Artikel "Peak Oil and the Arab Awakening", erschienen im März 2012 beim Swiss Institute for Peace and Energy Research (SIPER) & DWS Global Financial Institute. Darin führt Dr. Ganser aus, dass das Ölfördermaximum der konventionellen Ölförderung bereits im Jahr 2005 erreicht worden sei und dass ab dem Jahr 2020 zunehmende Ölknappheit herrschen würde, die aus heutiger Sicht nur teilweise durch alternative Energieträger ersetzt werden könne. Ein Schelm, vor dessen geistigem Auge angesichts dieser Sachlage aus dem "War on Terror" ein "War for Oil" wird.
3 (Zurück) Hierbei gilt es vor allem zu bedenken, dass allein Chinas Nachfrage nach Öl dramatisch ansteigt. Die internationale Energieagentur ("IEA") geht in ihrem "World Energy Outlook 2011" davon aus, dass Chinas Ölverbrauch von 8,9 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2010 auf 14,9 Millionen Barrel pro Tag im Jahr 2035 steigen wird (Quelle: http://www.proven-oil-canada.de/newsdetail.html?&tx_ttnews=77&cHash=363d7c0196197e8d8199782c2b0c2ada). Das ist ein Anstieg im Ausmaß von rund 67 Prozent. Zugleich ging die IEA für das Jahr 2010 von einem weltweiten Ölverbrauch in Höhe von 86,5 Millionen Barrel pro Tag aus (Quelle: http://www.finanzen.net/nachricht/aktien/IEA-hebt-Prognose-fuer-Oelverbrauch-an-741182), Chinas Anteil daran sind somit knapp 10 Prozent. Ähnlich verhält es sich mit dem Ölhunger Indiens. Die Zeitung "China Daily" berichtete im Frühjahr 2012, dass Schätzungen zufolge die Energienachfrage von China und Indien gemeinsam im Jahr 2030 mehr als 50 Prozent der weltweiten Energienachfrage betragen könne (Quelle: http://www.godmode-trader.de/nachricht/IEA-Indien-China-praegen-OElmarkt-bis-2030-WTI-Oel,a1202459.html).
4 (Zurück) Zum Zeitpunkt der Produktion. Wikipedia nennt für 2001 rund 2,1 Millionen.
5 (Zurück) Und, mal nur so laut nachgedacht, auch jetzt schon: Wäre es etwa in Deutschland nicht sinnvoller, Menschen ohne Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt die Macht und die Möglichkeit zu geben, sich auf gesunde Weise zu einem großen Teil selbst zu versorgen? Wäre das nicht vernünftiger, als sie in das Hartz IV Elend zu zwingen und sie zu Gunsten Wirtschaftstreibender in 1 Euro Jobs versauern zu lassen? Wer nun meint, dass dies wegen des kühleren Klimas problematisch wäre, der kennt Sepp Holzer und seine Permakultur in den österreichischen Alpen nicht, doch dazu mehr ein anderes Mal. Diese Möglichkeit - und ich glaube, dass viele Menschen sie nutzen würden - in Kombination mit einem bedingungslosen Grundeinkommen (auch dazu mehr ein anderes Mal) würde viele Probleme zugleich adressieren, bis hin zum Gesundheitswesen.
Director: Faith Morgan
Editor: Eric Johnson
Writer: Faith Morgan, Eugene 'Pat' Murphy and Megan Quinn
Cinematographer: Gregory Greene and Faith Morgan
Producer: Thomas E. Blessing, Faith Morgan, Eugene 'Pat' Murphy and Megan Quinn
Awards:
2007 Winner, Aotearoa Environmental Film Festival, New Zealand, People’s Choice Award, Best International Award
2007 Winner, Wild & Scenic Environmental Film Festival, Nevada City, CA, Jury’s Choice Award
2007 Winner, New York International Independent Film Festival, Grand Jury Best Documentary Award
2007 Winner, Washington DC Film Festival, Grand Jury Best Documentary Award
2007 Winner, Our Island, Our World Film Festival, Canada, Audience Award
2007 Winner, Malibu International Film Festival, CA, Best Documentary Film
2008 Winner, International Festival of Environmental Film, Tunisia, Golden Carpet Award
Links:
Die Homepage des Films
Informationen zu Anders Balari
Ein wirklich wirklich toller Artikel, danke für deine Arbeit die du da investiert hast.
Sehr spannend wie ein Land sich selber hilft und bis heute, ist Kuba ja irgendwie in der Zeit stehen geblieben.
Steht für uns auch auf der Reiseliste :)
Sorry - Aber peak-oil gibt es nicht. Die Welt hat Oel ohne Ende. Nur - die Oel-Lobby erlaubt nicht allen es zu fördern, siehe Haiti, welches 1000x mehr Oel hat wie z.B. Venezuela.
Oel ist nicht biotisch, wie uns erzählt wird und "wächst" nach. Klar, die Verbrennung ist nicht sauber, also auch bei genug Oel bleiben Probleme, aber es gäbe ja da noch freie-Energie etc. Wassermotoren, Wasser das einzige Element das wieder zu sich selber verbrennt und 100% umweltverträglich ist, aber auch dies wird unterdrückt - aber wie lange noch? Es wachen immer mehr auf und wissen was los ist - doch handeln müssen wir, und das tun nur wenige....leider.
Bei Aussagen wie diesen wäre es ratsam, sie mit Quellen zu belegen.
Ich habe mich mit einigen dieser Themen beschäftigt, vor allem mit freier Energie. Doch das würde hier nun zu weit führen. Nur soviel: Das pauschal als Unfug abzutun, so wie es vielfach geschieht, ist Unfug. Und es müsste viel mehr darin investiert werden, die vorhandenen Ansätze zu erforschen.
Erdölwesen hingegen habe ich studiert, wenn auch nicht beendet - die Ölvorräte reduzieren sich dramatisch stark. Selbst wenn sie sich nachbilden und grundsätzlich anders entstehen sollten (dazu habe ich mal ein Video gesehen, das aber nicht seriös wirkte), dann geschieht dies viel zu langsam. Warum sonst sollte man so einen Schwachsinn wie Fracking und die Ausbeutung von Teersanden machen? => immens teuer und immens umweltschädlich, "wirtschaftlich" nur, weil die Kosten nicht internalisiert sind. Es gibt eine funktionierende Methode, Erdöl an der Oberfläche "nachwachsen zu lassen", mithilfe von Algen - was gegen die These spricht, dass es nicht biotischen Ursprungs wäre. Momentan ist das aber noch nicht so ausgereift, um es in großem Maßstab einsetzen zu können.
Über gute Informationsquellen freue ich mich immer und ich schaue mir alles ohne Vorurteile an. Also gerne her mit den Quellen ;-).
Cheers
Anders