Ilja Trojanow legt mit »Macht und Widerstand» nicht nur ein erschreckendes Zeitzeugnis vor, sondern insbesondere auch eine Charakterstudie von hoher Relevanz für unsere Gegenwart und unsere Zukunft. Essayistische Betrachtungen, mit finsterer Poesie gemalte Chronik und Einblicke in die Natur von Opportunismus und Standhaftigkeit sind die Hauptbestandteile dieses Buches, das erzählerisch zeitweise schwächelt, ohne dass dies der Gesamtwirkung schadet. Als Roman funktioniert das für mich nicht, doch es ist ein großartiges Buch und in welche Formschublade könnte man es sonst legen?
Handlung (von der Verlagsseite übernommen): Ilija Trojanow hat sein Lebensbuch geschrieben: Ein schwindelerregender Blick in den Abgrund zwischen Macht und Widerstand.
Konstantin ist Widerstandskämpfer, einer, der schon in der Schulzeit der bulgarischen Staatssicherheit auffällt und ihrem Griff nicht mehr entkommt. Metodi ist Offizier, Opportunist und Karrierist, ein Repräsentant des Apparats. Sie sind in einen Kampf um Leben und Gedächtnis verstrickt, der über ein halbes Jahrhundert andauert.
Ilija Trojanow entfaltet ein breites zeitgeschichtliches Panorama von exemplarischer Gültigkeit. Eine Fülle einzelner Momente aus wahren Geschichten, die Trojanow seit den Neunzigerjahren in Gesprächen mit Zeitzeugen gesammelt hat, verdichtet er zu einer spannenden Schicksalserzählung von menschlicher Würde und Niedertracht. ›Macht und Widerstand‹ ist bewegende Erinnerungsarbeit, ein Roman, wie man ihn in seiner Entschiedenheit und poetischen Kraft lange nicht gelesen hat.
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“Du musst verstehen, flüsterten die Mitläufer früher auf mich ein, wir sind nicht so stark wie du. Es klang wie ein Vorwurf, als wäre Haltung ein Makel, als wäre ich im Unrecht, weil ich keine Kompromisse eingehen, weil ich nicht nachgeben könne.”
(Konstantin, Seite 19)
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Fazit: »Macht und Widerstand« funktioniert für mich als Roman nicht. Dennoch halte ich es für ein wertvolles und auch gutes Buch. Ich fand darin zahlreiche Gedanken und Beobachtungen, die ich guten Gewissens als herausragend oder teilweise sogar genial bezeichnen kann, auch jenseits der wichtigen und bestürzenden historischen Ausführungen. In meiner Wahrnehmung befindet sich Ilja Trojanow mit diesem Buch in der Nähe von Aldous Huxley: Erhellende Ausführungen, getragen von hoher Intelligenz – erzählerisch aber teilweise mangelhaft, wenngleich sprachlich großteils sehr stark. Gerne würde ich ein paar hundert Jahre in die Zukunft reisen und mich dort dann nicht darüber wundern, wieviele Zitate aus Macht und Widerstand erhalten blieben oder gar Eingang in den Alltagssprachgebrauch gefunden haben. So könnte es sein. Oder es könnte so sein, wie im Film “Idiocracy” skizziert und erschreckend oft schon jetzt beobachtbar. Es liegt an uns, am Denken und Handeln jedes einzelnen Menschen.
Anders Balari, 9. Oktober 2016 und 30. August 2017
Die ganze Rezension ist auf der Website unseres Kulturmagazin unter folgendem Link zu finden: https://www.kultumea.de/2016/10/09/besprechung-von-und-betrachtungen-zu-ilija-trojanows-roman-macht-und-widerstand/
Ilija Trojanows Roman »Macht und Widerstand« ist im August 2015 im S. Fischer Verlag erschienen – gebunden, 480 Seiten, EUR 24,99, ISBN 978-3100024633.
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