Mein lieber Afrog,
durch deine Zeilen musste ich tatsächlich an meine Kindheit denken und feststellen, es war bei uns so ähnlich. In den 70ziger Jahren hatte das Weihnachtsfest noch einen anderen Charakter als heute. Aus meiner Erinnerung, (und die ist schon sehr löchrig) kenne ich Weihnachten als Fest der Familien Zusammenkunft. Es wurde gegessen, es wurde getrunken und es gab auch Geschenke. Jedoch war das in der DDR mit den Geschenken nicht so einfach. Manchmal standen Vater und Mutter oder Opa und Oma noch am Morgen des 24.12. in einer Schlange vor einem Geschäft, nur um etwas besonderes als Geschenk zu bekommen, was es so das ganze Jahr über nicht gab. Aus heutiger Sicht hatten diese Geschenke einen weitaus höheren Stellenwert als Geschenke heutzutage. Denn mit der Wende zog auch bei uns der Konsumwahn ein. Auch wenn dieser in den 90ziger Jahren mangels nötigem Kleingeld noch begrenz war. Heute finden wir langsam wieder zurück individuellen Geschenken, zu Unikaten zu Handarbeiten eines Freundes oder Bekannten. Eben etwas worin Herzblut und Seele liegt. Ich habe deinen Beitrag wie immer genossen. Ich wünsche dir und deinen lieben, einen guten Jahreswechseln einen schönen und stressfreien Start 2018.
Herzlichen Dank fürs Lesen und für deinen Kommentar, @homeartpictures. Herzblut und Seele sind die passenden Stichworte nicht nur dann, wenn es um das Schenken geht. Danke für den Blick durch das große Rohr, hinein in eine nicht völlig fremde Kultur. Die DDR kam mir früher immer so vor, als wäre sie in den Fünfzigern stehen geblieben. Sie war so eine Art Zeitkonserve. Trotz aller Mühen, modern zu erscheinen. Mittlerweile haben die Menschen dort zwar die Grundlagen ungezügelten Konsums begriffen, das geht ja recht fix, aber die Kultur des realen Sozialismus klopft man sich nicht einfach aus den Klamotten und man könnte sie sogar heute noch zum Vorteil nutzen.
Der erste Sohn meiner Frau hat ein Mädel aus Thüringen geheiratet. Sie ist dort abgehauen und wenn ich frage, warum man eine so schöne Heimat einfach aufgibt, dann höre ich die Geschichten von ganzen Ortschaften, wo die Jungen weg– und die Alten in die innere Emigration gegangen sind, statt sich den Herausforderungen des brutalen Marktes zu stellen und ihre Heimat zu verteidigen. Eigentlich habe ich mir gerade von diesen Menschen herrlich neue Impulse in unserem verlogenen System erhofft. Aber außer bedingungsloser Anpassung und maximal möglicher Verweigerung kommt von dort so gut wie nichts.
Wo ist diese herrlich subversive Pfiffigkeit des DDR–Bürgers geblieben? Warum haben sie einfach aufgegeben ausgerechnet in dem Moment, in dem sie „frei“ geworden sind? Sie verlassen ihre Heimat und wer bleibt, stiert höchstens noch wie paralysiert auf den Heiland des Marktes, den Investoren. Der hat sich aber schon alles gekrallt, was nicht niet– und nagelfest war. Wohin ist der kreative Geist des DDR–typischen Widerstands verschwunden? Warum geben alle einfach auf, statt den Konsumidioten zu zeigen, was Familienzusammenhalt und Individualismus zu leisten vermögen? Resignation ist keine Option. Es ist Selbstzerstörung.
In den 90zigern und noch bis heute sind ganze Landstriche im Osten "Jugendfrei", genau so wie du das sagst. Aber es ist zu beobachten das eine art von Rückzug in die ehemalige Heimat erfolgt. Aber dennoch fehlt hier die Jugend. Und die noch hier sind, ziehen der Arbeit hinterher (siehe Siemens in Görlitz) Für mich und meine Familie war es nie eine Option unsere Heimat gen Westen zu verlassen. Auch wenn wir alle wissen das wir da sicher das doppelte verdienen könnten. Aber Geld ist nicht alles und uns ist unsere Heimat wichtiger. Ich habe eine Onkel, welcher in Düsseldorf lebte, dieser hat schon 1988 bei einem Besuch gesagt, wenn die Wende kommt, kommt für euch das böse erwachen. Und 89 sind wir (ich auch) für den Freiheit und den Kapitalismus auf die Straße gegangen. Aus heutiger Sicht, kann ich nicht mehr sagen ob das eine gute Idee gewesen ist. Auch wenn die DDR nicht weiter überlebensfähig gewesen wäre. Denn auch da wurde, so wie heute in diesem Land in die eigene Tasche gewirtschaftet. Und die Herrschenden von heute sind größere Bonzen als Ulbrich, Honecker oder Krenz.
Sie herrschen ja gar nicht. Das ist eine völlig verkehrte Perspektive. Sie tricksen einfach nur unfair und schmieren ihre Statthalter, die eigentlich Bürgerinteressen vertreten sollten. Nur in deiner Wahrnehmung ist es Herrschaft. Die geht, laut Grundgesetz, einzig vom Souverän aus. Der ist gegen diese Art von Herrschaftsversuchen gerüstet mit einer Konstitution. Der Bürger herrscht, nimmt seine Chancen aber nicht wahr, weil die Trickser Bürger gegeneinander ausspielen. Sie haben die Familie atomisiert, das Individuum gekonnt vereinzelt um es für ihre Zwecke besser manipulieren zu können.
Das Thema sollten wir auf dem Schirm halten, @homeartpictures. Ich habe letztes Jahr den Sobotnik in Thüringen kennen gelernt und bin mir fast sicher, dass sich bei Euch noch viel mehr dieser herrlich konstruktiven Ansätze verstecken. Holt man all das Gute des Sozialismus hervor, ließe sich ganz sicher auch eine attraktive, lebenswerte Alternative abseits von Lüge und Konsumwahnsinn schaffen. Davon bin ich überzeugt. Doch das würde einzig mit Seele und Herzblut funktionieren. Die Mechanismen der Vereinzelung und Verunsicherung sind nämlich sehr, sehr stark und die Cliquen der hemmungslosen Absahner fühlen sich dabei ziemlich sicher.