Bahnschienen werden weich, der Müggelsee kocht: Bis zum Ende des Jahrhunderts droht Deutschland ein Hitzeschock. |
Draußen ist es winterlich kühl, kalt fast schon. Doch der Klimawandel macht keine Pause, es wird immer wärmer und neue Daten verraten: Es lohnt sich mittlerweile gar nicht mehr, die Bundesbahn zu sanieren. Neuen Berechnungen zufolge, die das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" verbreitet, wird es künftig in Deutschland so warm werden wie heute in Teilen Südeuropas. Nach Recherchen des ZDF sind die Folgen für den öffentlichen Nahverkehr fürchterlich: Ab 39 Grad Hitze schon verbiegen sich Bahn- und Straßenbahnschienen. Zugverkehr wird unmöglich, weil die stählernen Trassen dann weich werden. Aus diesem Grund verkehren bereits in vielen heißen Weltregionen keine Züge, auch Straßenbahnen sind in Afrika und im südlichen Asien kaum gebräuchlich.
Rückschlag für Umstieg
Für Deutschlands geplanten Umstieg von der individuellen Mobilität auf kollektive Bewegungsformen sind das keine guten Nachrichten. Eine Karte, auf die "Spiegel" verweist, zeigt, dass Berlin schon im Jahr 2080 heiß und weitgehend unbewohnbar sein könnte wie die norditalienische Region Emilia Romagna. Rostock droht das Schicksal Barcelonas, München säße auf ähnlich glühenden Kohlen wie heute Rom.
Detailliert hat der Umweltforscher Matthew Fitzpatrick von der US-amerikanischen Universität Maryland auf seiner "Future Urban Climates"-Map herausgearbeitet, wie stark die Temperaturen sich ändern werden - trotz der im vergangenen Jahr bereits verabschiedeten Hitzeschutzstrategie der Bundesregierung und der weltweiten Anstrengungen, die Klimakrise in den Griff zu bekommen.
Landstriche unbewohnbar
Vergebens. Die Karte mit Daten von mehr als 40.000 Städten, zur Zeit weitgehend nicht erreichbar, zeigt, wie ganze Landstriche unbewohnbar werden, sogar weit über das am heftigsten betroffene Deutschland hinaus. Auch skandinavischen Städten wie Stockholm und Oslo droht nach "Spiegel"-Recherchen der Hitzeschock, sie würden sich "künftig anfühlen wie Kroatien derzeit". Auch die Einwohnerinnen und Einwohner, die dann noch in London ausharren, einer Metropole, aus der nach dem Brexit viele Firmen abgewandert waren, müssten sich 2080 mit einem mörderischen Klima arrangieren, "wie es sich derzeit in der Gemeinde Labarde bei Bordeaux findet".
Weinberge an der Themse statt Londoner Schmuddelniesel, Strandbäder im isländischen Frühling und die Lofoten als neues Mallorca? Der Rückbau der Deutschen Bahn, der Umstieg zahlloser Städte von Straßenbahn auf Elektrobus? Zumindest wird es so kommen, wenn die Menschheit ihren Selbstvernichtungskurs mit anhaltend hohen fossilen Emissionen nicht ändert. Dann wird nicht nur das ursprünglich angestrebte 1,5-Grad-Ziel verfehlt, sondern auch die letzte Rückfalllinie bei zwei Grad. Matthew Fitzpatrick prognostiziert mit Hilfe der offiziellen Vorhersagen des Klimarates IPCC eine weltweite Erwärmung um rund neun Grad, bleibt es beim fossilen Volldampf.
Dreimal mehr als der IPCC
Der Forscher liegt damit beim Dreifachen des Wertes, den der Klimarat zuletzt bei 3,2 °C im Jahr 2100 festgeschrieben hatte, jedoch um mehr als drei Grad unter der wissenschaftlichen Prognose, die das Brandenburgische Landesamt für Umweltschutz vor fünf Jahren veröffentlicht hatte. Möglich sei jedoch auch eine weniger steile Hitzekurve: Bei strikt reduzierten Emissionen erwärme sich der Planet bis Ende des Jahrhunderts womöglich auch nur um drei Grad. Dann werde sich, hat der "Spiegel" ein Horrorszenario der besonderen Art ermittelt, "Berlin anfühlen wie derzeit die Gemeinde Böhl-Iggelheim in Rheinland-Pfalz."