Konrad Hasenpfand mit seinem letzten Brot. |
Eine Zeit der Besinnlichkeit, eine Zeit, in der Ende und Neuanfang sich die Hände geben. Das Weihnachtsmärchen, das der Dunkelburger Bäckermeisters Konrad Hasenpfand, in diesen Tagen erlebt, ist eines der ganz besonderen Art. Herzergreifend, aber unerzählt. Wirklich wahr und doch ein Wunder. PPQ-Reporterin Svenja Prantl war in Dunkelburg und sie hat Hasenpfands Geschichte aufgeschrieben.
Es war einmal in einem kleinen, verschneiten Dorf, wo die Lichter der Weihnachtszeit die Straßen erhellten und der Duft von frisch gebackenem Brot in der Luft lag. Kopfsteinpflaster und kaputten Brücken prägten das Bild, die Wälder ringsum waren kahl, die Jungen alle längst fortgezogen. In dieser beschaulichen Umgebung lebte der Bäckermeister Konrad Hasenpfand, der die traditionsreiche Bäckerei seiner Familie im 400. Jahr führte. In Dunkelburg kaufte jeder bei ihm, Hasenpfands Brot, seine Brötchen und der leckere Kuchen waren weit über die Grenzen des kleinen Ortes hinaus bekannt.
Gemütlich in der Gasmangellage
Hasenpfands kleiner, selbst in der Gasmangellage von 2022 gemütlich warmer Laden war ein Ort, an dem die Menschen zusammenkamen, um die köstlichen Leckereien zu genießen, die Konrad mit viel Liebe und Hingabe in Handarbeit zubereitete.
Doch in diesem Jahr war alles anders. Es war ein schöner Wintertag kurz vor Heiligabend, als Konrad Hasenpfand in seiner Backstube stand und die ersten Bleche mit Weihnachtsstollen vorbereitete. Der Ofen brummte, und der altvertraute Duft erfüllte den Raum wie in jedem Jahr zuvor.
Konrad Hasenpfand stand bereits seit drei Uhr morgens am Backtisch, sein Gesicht von den Jahren der Arbeit und der Liebe zu seinem Handwerk gezeichnet, aber immer noch voller Tatendrang. Hasenpfand hätte nicht mehr sagen können, zum wievielten Mal er die Weihnachtsperenzchen zubereitete, den Teig knetete, die Gewürze bereitstellte. Doch diesmal war etwqas anders. Hasenpfand spürte er eine seltsame Schwere in seinem Herzen. Die Arbeit war routiniert, die Abläufe eingespielt – doch dieses Mal spürte Konrad noch etwas anderes. Die Routine, die ihn all die Jahre begleitet hatte, fühlte sich plötzlich leer an.
Während er den letzten Weihnachtsstollen formte, der Duft von Gewürzen und frisch gebackenem Brot erfüllte den Raum, dachte Konrad an die
Geschichte seiner Bäckerei. Es begann im Jahr 1624, als sein Vorfahr, der erste Hasenpfand, das Backen in Dunkelburg einführte. Konrad wusste natürlich, dass die Welt sich seitdem verändert hatte. Die Rohstoffpreise waren gestiegen, und kleine, ehrliche Handwerksbetriebe wie der seine standen unter Druck von großen Industriebäckereien. Tapfer hatten er, seine Frau und der Gehilfe gegen die Multis mit ihren Disgnerbackmischungen gekämpft. Viele Kundinnen und Kunden waren solidarisch geblieben und hatten lieber mehr bezahlt, als für immer auf Hasenpfands Brot mit der knackigen Kruste zu verzichten.
Immer innere Unruhe
Doch die Welt, die sich so verändert hatte, war nicht der einzige Grund für seine innere Unruhe. In den letzten Monaten hatte Konrad Hasenpfand viel über die Umwelt und die Zukunft der Menschheit gelesen und noch mehr darüber nachgedacht. Er hatte verstanden, dass das Backen mit fossiler Energie nicht mehr tragbar war. Die Erde litt, und die Zeit war gekommen, Verantwortung zu übernehmen.
Mit einem tiefen Seufzer stellte Konrad die Knetmaschine ab und sah aus dem Fenster. Letzte Schneeflocken, vielleicht die letzten überhaupt, dachte er, tanzten leise im Licht der Straßenlaternen. Konrad Hasenpfand dachte einen Moment lang an die vielen Generationen, die vor ihm in dieser Bachstube gestanden hatten, nachts raus, mit krummem Rücken vor dem Ofen und im Glauben, den Menschen eine Freude zu machen mit saftigem Vierkantbrot und leckerem Schmandkuchen.
Tödliches Backen
Was für ein fataler Irrtum, dachte Hasenpfand. Von wegen Freude. Das Backen, all die 400 Jahre mit den Millionen von Brötchen, Broten und Kuchenblechen, sie hatten die Grundlagen der Existenz der Menschheit unterminiert. Immer wärmer war es geworden, nicht in der Backstube, sondern draußen vor der Tür. Immer weniger hatten die Menschen zu schätzen gewusst, dass auch ein altes Brot noch schmeckt. Stattdessen hatten sie frisches geholt, schneller als irgendwer es essen konnte. Der Rest, Konrad Hasenpfand wusste um die Wahrheit, landete im Müll. Sein ganzer Stolz. Seine edle Handarbeit.
In diesen Mauern, rund um den Ofen schwarzgebrannt, aber außen rot, hatten sich Geschichten von Liebe, Krieg, Frieden und
Fortschritt abgewickelt. Konrad erinnerte sich an die Erzählungen seines Großvaters, wie in den schwierigen Zeiten des Zweiten Weltkriegs die Dorfbewohner selbst Teig mitbrachten, weil Mehl knapp gewesen war. Ein Gedanke, der heute kaum vorstellbar war, aber damals zur Normalität gehörte. Dann bei den Kommunisten, als versprochen worden war, wie man heute lebe, werde man morgen arbeiten. Unwillkürlich schüttelte Hasenpfand den Kopf.
Seine Gedanken wanderten zu den 90 Jahren der Bäckerei Klinger im Nachbardorf Tanzhausen, die ebenfalls ihre Pforten schließen musste. Uli Klinger, ein Freund und Kollege, hatte ähnliche Sorgen gehabt und eine genauso harte Entscheidung getroffen. "Die Rohstoffpreise sind stark gestiegen", hatte er geklagt, "das kann kein Kunde m ehr bezahlen".
Uli hatte zugemacht und war nach Bulgarien gezogen, und das nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern auch aus dem Wunsch heraus, in einem besseren Umfeld zu leben. "Merh Freiheit", hatte er Konrad vorgeschwärmt, "kein Staat und keine Behörde belästigt einen."
Und nun war es wirklich an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. "Ich kann nicht mehr so weitermachen", murmelte Konrad Hasenpfand noch einmal leise zu sich selbst, als wolle er sich mit Macht überzeugen. "Wir müssen warten, bis die Menschheit einen Weg gefunden hat, Brot, Brötchen und Kuchen nachhaltig und ohne CO₂-Ausstoß herzustellen." Hasenpfand wusste, dass dies eine schwere Entscheidung war, aber er fühlte sich erleichtert. Es war Zeit, die Bäckerei für immer zu schließen, um der Menschheit eine Chance zu geben.
Nicht still und heimlich gehen
Doch Hasenpfand wollte nicht so einfach abtreten, still und heimlich die Backstube schließen. Am Heiligabend versammelte er deshalb alle Dorfbewohner vor seiner Bäckerei. Konrad trat vor die Menge, seine Augen funkelten im Schein der Lichter. "Liebe Freunde, Nachbarn, Kunden und Kollegen", begann er mit fester Stimme, "heute ist ein besonderer Tag, denn ich habe beschlossen, die Bäckerei zu schließen." Schuld daran sei nicht etwa der Kanzler in Berlin, der die Preise senken wolle, oder Klimaminister, der glaube, ein Bäcker könne einfach mal ein paar Jahre nicht backen, dann aber doch wieder. Hasenpfand lachte bitter. "So ist es ja nun nicht", rief er laut.
Er aber wolle seine Schließung für immer und er wolle auch, dass alle wüssten, "dass dies nicht das Ende ist, sondern ein neuer Anfang."
Die Menschen hörten staunend zu, gebannt von den Worten des Bäckers, der als stiller, wenig beredter Mann bekannt war. Und nun stand er da, Konrad Hasenpfand, Ende 60, kräftig und mit einem feinen Dreitagebart, der ihm gut stand. Und er erzählte von seiner Vision: Eine Welt, in der das Backen im Einklang mit der Natur geschieht. Eine Welt, in der das Brotbacken keinen Ofen braucht. Eine Welt, in der die,die sie bewohnen, etwas übriglassen für die, die nach ihnen kommen werden.
Wie ein Held in Hollywood
Ein bisschen war Konrad Hasenpfand auch von sich selbst gerüht. Er fühlte sich amerikanisch, als er den Arm hob und wie der Präsident in einem Kinofilm aus Hollywood ausrief: "Lasst uns gemeinsam an einer Zukunft arbeiten, in der wir unsere Traditionen bewahren und gleichzeitig die Erde schützen". Das kam an.
Die Dorfbewohner waren berührt von seinen Worten. Mit feuchten Sugen erinnerten sich an die vielen schönen Momente, die sie in der Bäckerei erlebt hatten, und an die köstlichen Leckereien, die Konrad mit so viel Liebe gebacken hatte. Doch auch sie wussten eigentlich längst, dass es an der Zeit war, neue Wege zu gehen. wer will schon leben, und dabei künftiges Leben zerstören? Wer möchte Brot esse, das nach Mord schmeckt?
"Das letzte Brot hat keine Rinde", rief Hasenpfand gerade, als die Sterne am Himmel ganz besonders zu funkeln begannen und der Schnee das Licht wie ein Spiegel zurückwarf. Hasenpfands Frau, die das Vorhaben ihres Mannes von Anfang an mit aller Krfat unterstützt hatte, brachte einen Korb mit warmen Bretzeln. Der Gastwirt voin gegenüber ging in seine Kneipe, die er eigentlich schon zwei Jahre zuvor geschlossen hatte, um im Keller nach Rotwein zu schauen. Mancher in der Rund zerdrückte ein träne, andere schlugen sich auf die Schultern. "Muss ja weitergehen", sagten sie.
Dankbarkeit in Dunkelburg
Es wurde ein Fest der Dankbarkeit, das Dunkelburg feierte. Die Nachbarn teilten Geschichten, sangen alte Lieder und genossen die letzten Leckereien aus der Bäckerei. Erst als die ersten Sonnenstrahlen sich durch den dichten Winternebel kämpften, der mit dem Morgen kam, endete die Weihnachtsparty, die so wohl noch kein Dorf in nah und fern erlebt hatte.
Ja, morgen würden sich die Türen der Bäckerei Hasenpfand, die seit 400 Jahren von seiner Familie betrieben worden war, nicht mehr öffnen. Konrad Hasenpfand war sicher, dass es der richtige Schritt sein würde. Das Backen mit fossiler Energie muss pausieren, bis die Menschheit einen Weg gefunden hatte, Brot, Brötchen und Kuchen nachhaltig und ohne CO2-Ausstoß herzustellen. Die Verantwortung, die der alte Bächer gegenüber der Erde und den zukünftigen Generationen fühlte, war weitaus stärker als jede Tradition.
Während er zum letzten Mal den Laden fegte, dachte er an die Zukunft. "Wie können wir das Handwerk erhalten und gleichzeitig die Welt schützen?" fragte er sich und träumte wieder einmal von einer Zeit, in der Brot nicht nur mit Liebe, sondern auch mit Nachhaltigkeit gebacken werden könnte. Vielleicht, so hoffte er, würden zukünftige Generationen eine Lösung finden, die es ermöglichte, dieses Handwerk weiterzuleben, ohne die Erde zu belasten.
Mit einem tiefen Atemzug schloss er die Tür, ein letztes Mal, ein Symbol für den Abschied von einer Ära. "Es ist nicht ein Ende, sondern ein Anfang", sprach er mit Tränen in den Augen, "ein Anfang für etwas Neues, etwas Besseres."
Als Konrad Hasenpfand langsam und mit gebeugten Kopf quer durchs Dorf nach Hause ging, applaudierte die Dorfgemeinschaft aus den geöffneten Fenstern. Die Fußstapfen i Schnee, die hinter dem letzten Bäcker von Dunkeldorf blieben, wirkten als wiesen sie einen neuen Weg in die Zukunft.
Und so endete die Geschichte von Konrad Hasenpfand nicht mit einem Ende, sondern mit einem Weihnachtswunder der Hoffnung und des neuen Beginns.