Hallo Freunde,
vielleicht erinnert ihr euch noch, dass ich im März mit meiner Freundin ihre Verwandten auf der Nachbarinsel besucht habe?
Sie lebte damals in einem plantagenartigen Dschungel aus Bananenstauden und Kokospalmen. Als Gegenleistung für das mietfreie Wohnen in dieser Hütte hielten sie diesen Dschungel in Ordnung.
Meine Verwandtschaft, das sind die Eltern meiner Freundin, ihr 17-jähriger Bruder und die 4-jährige Tochter ihrer älteren Schwester, die, obwohl verheiratet, mit ihrem neuen Freund woanders lebte.
Meist täglich zu Besuch als "Tagesgäste" war ihr älterer Bruder mit seiner Familie, also seiner Frau und zwei Söhnen.
Und vielleicht erinnert ihr euch auch noch an meine Empörung, als Reccandra mir erzählte, dass ihr Vater vor Corona jede Woche von der Nachbarinsel mit Lebensmitteln wie Obst, Gemüse und lebenden Muscheln herüberkam, um sie hier auf dem Markt zu verkaufen.
Ich wollte nicht nur nicht akzeptieren, dass diese Muscheln nachts durch das Erdgeschoss wanderten, sondern auch nicht, dass ich mein Haus jede Woche von Mittwoch bis Samstag mit ihrem Vater und gelegentlich seiner Familie teilen musste.
Im Gegenteil, ihre jüngere Schwester, die ein Zimmer im Haus bewohnte, hatte endlich ihr Studium abgeschlossen und war schon auf Jobsuche in den Call Centern der umliegenden Städte, und es war absehbar, dass wir die 60 Quadratmeter bald für uns allein haben würden.
Nun kann man aber seinen Verwandten nicht einfach den Besuch verbieten. Das geht vielleicht im zivilisierten Westen, ist aber hier undenkbar. Die Familie geht immer vor, unter allen Umständen.
Da ich das wusste und auch liebevoll vermittelt bekam, suchte ich nach Alternativen, um diesen väterlichen Teilzeitbewohner mit seinen wanderfreudigen Muscheln nicht drei Nächte in der Woche beherbergen zu müssen.
Als erstes habe ich mich nach Bedspaces und Räumen umgesehen, die es hier sogar in der Nähe des Marktes gibt. Aber könnte man damit leben, wenn der ausländische Partner den eigenen Vater aus dem Haus verbannt? Reccandra hätte es versucht, da bin ich mir sicher. Und genauso sicher bin ich mir, dass ich mich dabei mies gefühlt hätte.
Zum Glück wurde die andere Hälfte des Hauses frei, und ich hatte die verrückte Idee, auch diese zu mieten, um ihren Vater dort unterzubringen. Und wie es der Zufall wollte, wurden meine Eltern in derselben Woche aus ihrer Hütte und ihrer Arbeit entlassen und mussten bei der Familie des großen Bruders einziehen. So mussten wir nicht nur mein persönliches Problem lösen, sondern auch eine neue Unterkunft für Vater, Mutter und jüngeren Bruder auf der Nachbarinsel suchen und finanzieren. Reccandra ist seit Jahren der einzige Breadwinner in der Familie: Was ihr Vater erwirtschaftet und die anderen als Tagelöhner verdienen, reicht meist nicht einmal für die tägliche Schale Reis.
Warum also nicht Nägel mit Köpfen machen und die Familie zu uns ins Nachbarhaus holen? Dann hätte Reccandra etwas mehr Kontrolle und vielleicht auch etwas Hilfe, wenn sie sie bräuchte.
Dachten wir, aber meistens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Kaum geplant und gemietet, waren sie auch schon da. Wir hatten gerade noch Zeit, das Haus zu putzen und die gröbsten Reparaturen durchzuführen.
Kein Filipino käme auf die Idee, auch nur einen Dollar in eine Mietwohnung zu investieren. Meistens werden nicht einmal die Wände, die immer abwaschbar gestrichen sind, abgewaschen, sondern man zieht in den langjährigen Schäby Schick ein. Das ist auch verständlich, so eine Renovierung würde leicht 50-10000 Pesos kosten, jedenfalls in diesen Häusern, und am Ende hätte man saubere Wände, Decken und Böden und vielleicht noch ein Badezimmer mit warmem Wasser und einer richtigen Toilette, das Ganze abgerundet mit einer Klimaanlage, aber das wäre auch mehr als ein Zehntel der Kosten für ein eigenes Haus in vergleichbarer Größe und Zustand. Das spart man sich also im wahrsten Sinne des Wortes.
Auch ich habe ein Verbot bekommen für mein Haus, dieses zu tun. Also leben wir mit fleckigen Wänden, versiegeltem Zementfußboden und ohne Klimaanlage. Mal sehen, wie lange ich das noch aushalten will.
Abwaschen durfte ich Wände und Decken wenigstens. Auch Türen und Fenster zu reparieren wurde mir gestattet, aber dann war auch gut des Guten, sagte meine bessere Hälfte.
Kaum angekommen, wechselte meine Schwiegermutter in Hyperaktivität, was "meinen Garten" betraf. Nun ist mein Garten kein Garten, sondern war einfach eine Wildnis hinter dem Haus, welche zum Wäschetrocknen und zu Mülldeponie und Müllverbrennung genutzt wurde. Und weil es mich störte, dass man keinen Schritt machen konnte, ohne sich in Schlingpflanzen oder Draht/ Schnüre zu verfangen oder auf Glasscherben und sonstigen Müll zu treten, habe ich Monate vorher begonnen, da sauberzumachen. Ich mag es einfach nicht beim Blick aus dem Schlafzimmerfenster auf Müll zu starren.
Schwiegermutter wollte erst mein angelegtes Gärtchen aus Eggplants, Ananas, Tomaten und viele Blumen in Beschlag nehmen, dann die Fläche unter den Wäscheleinen, wo ich Gras wachsen ließ. Als sie dies sein ließ, nach wirklich eindrücklichen Protesten meinerseits, hat sie die Nutzfläche nach hinten raus erweitert. Ich musste ihr dabei meine Mindeststandards in puncto Müll beibringen und da wir kein Wort des anderen verstehen, stand Reccandra immer in der Mitte des Ärgers und musste übersetzen. Heftige Tage, kann ich euch sagen.
Wirklich geplatzt bin ich allerdings später.
Meine Schwiegermutter hat eines Morgens sämtliche überflüssigen Bananenstauden gekappt, immer schön dekorativ einen halben Meter über dem Boden. Geschenkt, dass sie den Schnitt einfach liegen gelassen hat. Ich habe ja nur 6 Stunden gebraucht, um alles zu zerkleinern und aufzuschichten. Ich habe dann auch gleich den Boden von Schutt und Müll befreit, das hätte ich ja sowieso gemacht.
Aber als sie meinen gewonnenen Kompost, denn ich zum Auffüllen dieses Abschnitts brauchte, irgendwo für sich beanspruchte und auch nahm, war es mir dann doch zu viel. Ich bin buchstäblich explodiert.
In Folge brach ich jeden Kontakt und jedes gute Morgen ab, bis mir irgendwann klar wurde, dass ich mich gerade um etwas streite, was ich eh nicht wollte, einen Garten.
Nach 3 Wochen Funkstille habe ich dann selbst eingesehen, wie lächerlich dies ist und "meinen Garten" offiziell in ihre Hände gegeben. Allerdings traut sie dem Frieden nicht, denn noch immer ist es so, wenn mir etwas nicht passt, dann erzähle ich das Reccandra und wie durch ein Wunder kommt meine Schwiegermutter am nächsten Tag auf dieselbe Idee.
Wie auch immer. Das Gras darf wachsen, wenn es soll und wo es soll und wird geschnitten wenn nötig.
Unwanted plants ziehe ich raus wie gehabt und ansonsten erfreue ich mich an meinem bunten, müllfreien Hinterhof. Und mehr wollte ich ja Anfangs gar nicht.
Denn auch die Nachbarn links und rechts haben mitbekommen, dass ich manchmal ein sturer alter Sack sein kann und werfen keinen Müll mehr in die Gegend, sondern benutzen Müllsäcke, die kostenlos abholt werden.
Das einzige, was sie noch über die Mauer werfen, sind junge Kätzchen, aber das ist eine andere Geschichte.
Vielen Dank fürs Lesen, ich hoffe, es war unterhaltend.
Alles reine Nervensache! 😎
Oh ja, es war eben doch etwas viel Neues in meiner Privatsphäre in jenen Tagen.
Interessante story. Und noch mehr Potenzial für Tobsuchtsanfälle 😅
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Tobsuchtsanfälle ja, aber ohne laute Stimme. Sonst verlierst du dein Gesicht.
Man kann zwar auswandern, aber ein bisschen deutsch bleibt doch immer noch. Es prallen hier zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander. Kompromisse scheinen da wichtig.
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Das ist so und ich hatte viel Zeit zu lernen. Das Schwierigste ist, meine Stimme niemals zu erheben. Selbst wenn ich angeregt diskutiere, empfinden es Asiaten als zu aggressiv und zu laut. Ich merke an dem Gesichtsausdruck meiner Freundin, dass sie meine Stimmlage manchmal als zu aggressiv empfindet. Das hat sich im Laufe der Zeit gelegt, weil sie auch die Videotelefonate mit meiner Familie mitbekommt und dann manchmal fragt, worüber wir uns streiten und ich dann antworte, dass wir uns über Banalitäten unterhalten, ganz normal.
Puh, ich krieg ja schon Zustände wenn die Familie aus dem Norden hier für zwei Wochen zum Urlaub kommt oder umgekehrt. Wir mögen uns alle, aber ich bin gerne alleine in meinen vier Wänden. :D
Trotz allem klingt das mega spannend und ich glaube das du sehr viele positive Dinge da hast, die das andere ausgleichen.
Und sehr unterhaltsam geschrieben dazu.
Danke für den tollen Beitrag. ;)
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Familie ist eben Familie, auch wenn es nicht die eigene ist.
Ja, aber irgendwie ist es doch durch die Hochzeit ja auch deine. 😉
wir sind nicht verheiratet
Aber das Papier macht ja auch keinen Unterschied
Dann eben eine ehe ähnliche Gemeinschaft ;)
Zählt aber genauso :D
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