Der Autor und Nahost-Experte Michael Lüners versucht in seinem Buch WER DEN WIND SÄT sich ein Bild über die Situation im arabischen Raum zu machen.
- Die Hintergründe der Konflikte im arabischen Raum.
Der Krieg in Syrien ist mit der Flüchtlings-kriese auch bei uns angekommen. Der Islamische Staat ist eine Katastrophe. Aber was ist z.B. mit Assad? Ist Assad nicht ein schrecklicher Diktator? Oder sollen die westliche Staaten gemeinsam mit Assad gegen den IS kämpfen? Aber auch in Afghanistan , dem Irak oder in Israel ist die Lage nicht übersichtlich.
Leider sieht es nicht gut im arabischen Raum aus.
Das Buch ist eine Abrechnung mit der Politik des Westens. Es hat sich herausstellt das auch ein Großteil des Terrors in Amerika und Europa hausgemacht ist. Da die westlichen Staaten für einige Konflikte auf dieser Welt mitverantwortlich sind, ist ein radikales Umdenken notwendig. Die USA muss alle Akteure im arabischen Raum nach den gleichen Maßstäben beurteilen. Auch Israel und Saudi-Arabien.
- Der Sturz des iranischen Präsidenten Mossadegh und die langfristigen folgen.
Wer Syrien verstehen will, muss bis in das Jahr 1953 zurückreisen. In diesem Jahr wurde der iranische Präsident Mossadegh von der CIA und dem britischen Geheimdienst MI6 gestürzt — Das hatte ungeahnte Folgen
Der demokratisch gewählte Präsident stand westlichen Interessen im Weg. Mossadegh hatte zuvor die iranische Ölproduktion verstaatlicht. Fast die gesamten Gewinne der Ölproduktion gingen davor an englische Firmen. England und die USA führten gemeinsam den Putsch durch.
Oppositionelle Gruppen wurden gezielt unterstützt. Amerikanische Undercover- Agenten wurden am Tag des Sturzes gezielt eingesetzt, um Regierungsgebäude zu besetzen und wichtige Radiostationen einzunehmen. Das ist keineVerschwörungstheorie, das geht alles aus CIA-Dokumenten hervor, die 2013 öffentlich gemacht wurden.
Nachdem Mossadeghs abgesetzt wurde, übernahm wieder ein Schah die Regierung des Landes. Allerdings wurde der Schah im Jahr 1979 durch eine Islamische Revolution abgelöst. Dabei wurde der Iran zu dem religiösen Staat machte, den wir heute kennen.
Es hätte ohne den Putsch im Jahr 1953 keine Islamische Revolution gegeben. Somit hat der Westen dazu beigetragen, dass der Iran, eines der wichtigsten Länder der Region sich von Westen abgewendet hat. Auch Heute noch ist der Umgang mit dem Iran erschwert. Der Iran ist in seinem Verhandlungen über sein Atomprogramm sehr misstrauisch, — weil das Landa schon einmal von Großbritannien und den USA hintergangen.
Aber das Misstrauen beruht auf Gegenseitigkeit. Diese Misstrauen geht im Westen weit über den Iran hinaus: Der gesamte Islam hat den Kommunismus als größtes Feindbild des Westens abgelöst.
- Mit ihre Einsatz in Afghanistan leisteten die USA Beitrag für die Entstehung von Al-Qaida.
Die USA haben nicht nur den Iran ungewollt gefördert, sondern auch Al-Qaida unterstützt, das Netzwerk, das für die Terroranschläge von 9/11 verantwortlich sein soll — und zwar während des Afghanistan-Krieges in den 80er Jahren während Al-Qaida gegen die Sowjetunion kämpfte.
Im Jahr 1978 hat die kommunistische geprägte Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA) die macht in Afghanistan übernommen.Die neue Regierung versuchte, das Land zu modernisieren, stieß aber auf Widerstand der religiösen Gotteskrieger Mudschahedin. Es kam schließlich zu einem Bürgerkrieg.
Im Jahr 1979 marschierte Russland in Afghanistan ein. In diesem Krieg (der 10 Jahre dauerte), unterstützten die Amerikanischen Geheimdienste und Saudi-Arabien die afghanischen Mudschahedin in ihrem Kampf gegen die Sowjetunion.
Aus dem gesamten arabischen Raum reisten die Gotteskrieger nach Afghanistan, um dort gegen die Sowjetunion zu Kämpfen.
Osama bin Laden errichtete Stützpunkte in Afghanistan und baute eine Guerilla-Gruppe auf.
Bin Laden stammte aus einer reichen saudischen Familie. Mit Geld, Waffen und Unterstützungen bei der Ausbildung seiner Guerilla-Kämpfer wurde Bin Laden aus amerikanischen Quellen unterstützt — Die Mudschahedin waren in den Augen der Amerikaner eine vernünftige Alternative zur kommunistischen Führung des Landes.
Bin Laden wurde von Amerika Aufbau von al-quaida unterstützt. Die USA waren es letztlich selbst, die mit dafür sorgte, dass 9/11 geschehen konnte.
Die Russischen Soldaten zogen 1989 ab, die Russlandtreue Regierung konnte sich noch drei Jahre halten, bevor die Mudschahedin Kabul eroberten. Die Mudschahedin riefen einen Islamischen Staat aus. Die Taliban versprachen Stabilität. Auch sie wurden von der CIA mitfinanziert.
- Die Grundlage für den IS legte die USA mit den Golfkriegen.
Von der iranische Revolution und dem afghanische Dschihad zeichnet sich ein bestimmtes Bild ab, das den USA kurze Triumphe, aber den Zerfall von Staaten und den Siegeszug der Islamisten beschert. In den beiden Golfkriegen war es genauso.
Der Irak unter Saddam Hussein hat im Jahr 1990 Kuwait angegriffen. Kuwait war damals neben Saudi-Arabien der wichtigste Erdöllieferant für die USA, die einen Angriff auf ihre eigenen Interessen sahen. Die USA begann Im Januar 1991 mit der Rückeroberung der irakisch besetzten Gebiete.
Mit schweren Sanktionen wurde der Irak nach diesem Ersten Golfkrieg belegt.
Die Situation im Land war katastrophal. Mehr als eine Millionen Iraker mussten die Sanktionspolitik mit ihrem Leben bezahlen — und die Hälfte von ihnen waren Kinder. Die Iraker machte nicht Saddam Hussein — sondern den Westen für die katastrophale Situation verantwortlich.
Im Zweiten Golfkrieg legten die USA den Grundstein für den IS.
Im Jahr 2000 kam George W. Bush an die Macht. Kurz darauf hat das Pentagon beschlossen, dass im Irak ein Regierungswechsel herbeigeführt werden sollte. Allerdings konnte man nicht einfach angreifen, das hätte gegen das Völkerrecht gesprochen. Doch 9/11 lieferte einen Grund für den Angriff — schon am Tag danach wurde über den Einmarsch im Irak diskutiert. Die zusätzliche Gründe für den Einmarsch wurde frei erfunden, unter anderem der Besitz von Massenvernichtungswaffen. — Die Beweise wurden gefälscht durch die Geheimdienste.
Am 20 März 2003 begann der krieg gegen den Irak. Die Amerikaner und Briten marschierten im April in Bagdad ein. Doch leider gab es keinen Plan für den Tag danach. Die USA wollten eine demokratisch legitimierte Regierung an die Macht bringen.
In einem Land, das vonethnischen und religiösen Spannungen geprägt ist, kann eine Demokratie nicht funktionieren. Es entstand ein Vakuum statt der gewünschten Demokratie. Terrororganisationen und Milizen konnten prächtig gedeihen. Al-quida setzte sich während der amerikanischen Besetzung von 2003 bis 2011 im Irak fest und aus ihr ging der IS hervor.
- Wir müssen mit Assad zusammenarbeiten. Nur so können wir den IS besiegen.
Ein Staatsoberhaupt, dass nicht wie gewünscht mit dem Westen kooperieren, wird in unseren Medien als gefährlichen Tyrannen dargestellt. Wie zuvor bei Saddam Hussein wird auch der syrischen Präsidenten Basar al-Assad als zweiter Hitler bezeichnet. Wir sollten unsere Fehler aus den Golfkriegen und Afghanistan nicht wiederholen und diesmal mit dem Machthaber Assad zusammenarbeiten — denn nur so können wir denn IS besiegen.
Der Krieg in Syrien ist mittlerweile extrem unübersichtlich geworden, weil sehr viele unterschiedliche Gruppen beteiligt sind — einige Experten sprechen von 1.000 verschiedenen Gruppierungen. Es ist klar dass Assad kein lupenreiner Demokrat ist. Dennoch ist seine Herrschaft ist besser als die aktuellen Situation in Syrien.
Eine friedliche Demokratie derzeit keine Option: In Syrien gibt es keine gefestigt, gebildete Mittel- und Oberschicht. Wenn der Westen Assad stürzt, würde ein Machtvakuum wie in Afghanistan und dem Irak entstehen. Der Westen muss sich entscheiden: Assad oder der IS.
Assad währe ein starker Bündnispartner gegen den IS.
Die westlichen Staaten haben militärisch ohne die syrische Armee keine Chance gegen den IS, denn der IS führt einen Guerilla-Krieg. Für westliche Truppen würde Syrien ein zweites Vietnam werden.
Es ist ein großer Fehler, Assad stürzen zu wollen, denn so wie es ausschaut ist Syrien noch nicht bereit um die Demokratie einzuführen. Wir können uns zwischen Assad und dem IS entscheiden. Ich denke Assad ist die bessere Wahl
- Libyen und Tunesien zeigen, wann eine Demokratie im arabischen Raum funktionieren kann.
Es kam im Dezember 2010 in vielen Ländern zu Protesten und Aufständen gegen die langjährigen, autoritären Machthaber. Aber nur in wenigen Ländern war dieser arabische Frühling längerfristig erfolgreich. Woran das liegt, sehen wir an den Beispielen Libyen und Tunesien.
In Libyen ist die Revolution gescheitert. Der Westen half ganz enorm nach.
Der Machthaber Gaddafi galt im Westen als Risiko und war für die USA und Großbritannien schon lange ein Dorn im Auge war. Gaddafi war antiwestlich eingestellt und nahm eine führende Rolle in der Afrikanischen Union ein.
Großbritannien und Frankreich waren im Krieg gegen Gaddafi direkt beteiligt, die USA unterstützte logistisch. Nach dem Sturz Gaddafis passierte das gleiche wie in Afghanistan und im Irak: Es entstandenen Islamistische Gruppen. Ohne einen starken Herrscher war das Land nicht in der Lage die nötige Stabilität herzustellen.
Hingegen hat In Tunesien die arabische Revolution funktioniert. In Tunesien gelang der Machtwechsel ganz ohne westliche Unterstützung. Bei der ersten freien Wahl im Jahr 2011 bildeten die Muslimbrüder als stärkste Fraktion eine Übergangsregierung. Auch in Tunesien kam es zunächst zu Ausschreitungen, doch im Januar 2014 verabschiedete Tunesien eine Verfassung, die sich explizit auf die Menschenrechte. Die Verfassung garantiert Glaubensfreiheit, schreibt die Trennung von Staat und Religion vor und stärkt die Rechte der Frau.
Den arabischen Ländern eine Demokratie aufzwingen zu wollen bringt rein garnichts. Wir müssen ihnen einfach so lange Zeit geben, bis sie bereit dafür sind. Das selbe gilt für Syrien: Eine Demokratie hätte dort heute noch keine Chance.
- Die westlichen Staaten dürfen für gerechte Lösungen nicht mehr uneingeschränkt zu Israel halten.
Der Israel/Palästina- Konflikt gilt schon als unlösbar — kein Wunder, denn der Hass auf beiden Seiten hat sich über die Jahre hinweg enorm verfestigt.
Nach über 60 Jahre ist keine Lösung in Sicht. Die Hälfte der Palästinenser sind seit der Gründung des Staates Israels vertrieben worden, ihre Nachfahren werden systematisch zurückgedrängt und entrechtet. Die Israelis sind neu in diesem Land und Unterdrücken das andere Volk, mit dem sie sich das gleiche Land teilen. Seit Jahrzehnten wird vergeblich versucht, beide Parteien in Verhandlungen zu einer Einigung zu bringen.
Für die USA und ihre Verbündeten gilt Israel oft als die einzige Demokratie im Nahen Osten, das ständig von islamischen Terroristen bedroht wird.
In Deutschland wird Israel, aufgrund unserer Geschichte, viel zu positiv dargestellt. Im Juli und August 2014 kamen 2.200 Palästinenser ums Leben, darunter fast 500 Kinder. Auf der israelischer Seite starben 71 Menschen, davon sechs Zivilisten. Trotzdem stand für Angela Merkel fest: Israel verteidigt sich gegen den Terror der Hamas.
- Es geht im Nahen Osten nicht nur um westliche Interessen.
Die Situation in der arabischen Welt ist brenzlig. Aber was können die westlichen Staaten tun, um die Lage zu beruhigen? Die USA und ihre Verbündeten müssen aufhören, nur an ihre eigenen Vorteile zu denken.
Die meisten westlichen Interessen sind die Gier nach Öl und der damit verbundenen Profit.
Der Westen muss anerkennen, dass die internationale Sicherheit und Stabilität wichtiger sein sollte, als der Zugang zu billigen Öl und Gas. Die westlichen Staaten müssen aufhören, Herrscher nach ihrem Gusto einzusetzen und alle möglichen Gruppen zu unterstützen, die gerade in ihre Agenda passen. Auch von seiner unbedingten Unterstützung für Israel muss der Westen absehen. Sie führt nur dazu, dass der Westen von Arabern als Feindbild wahrgenommen wird —
Stattdessen sollte die westlichen Staaten akzeptieren, dass oft Machthaber wie Assad das kleinere Übel sind.Wenn Assad verschwindet, wird Syrien im Chaos versinken.
Unsere eigenen Interessen hinten anzustellen, ist daher der einzige Weg, um im Nahen Osten Stabilität zu fördern.
Schlusswort
Westliche Eingriffe haben bisher in die arabische Politik zu mehr Instabilität, und Radikalisierung geführt. Al-Qaida und der Islamische Staat sind Produkte westlicher Politik. Die westlichen Staaten müssen ihre eigene Interessen hintenanstellen.