Worum geht es in der Trilogie?

Ich habe in letzter Zeit nochmal über einige Aspekte der Matrix-Trilogie nachgedacht und mir noch einige Gedanken zum Merowinger und zum Architekten gemacht. Ich bin die Szenen mit ihnen nochmals genau durchgegangen und habe einige weitere Notizen gemacht, die ich, zusätzlich zu einer Zusammenfassung meiner (Neu-)Interpretation mit euch teilen möchte.

Bei Matrix geht es insgesamt um Gedankenfreiheit ("free your mind") und die Ausübung eines freien Willens, Aufklärung statt Angst. Dieses Ziel ist jedoch nur über einen inneren Kampf erreichbar, der in der Trilogie auch als äußerer Krieg dargestellt wird.

Orakel: Auf die eine oder andere Weise wird dieser Krieg enden.

Sämtliche Beteiligten wünschen sich ein Ende des Krieges, doch Selbstentwicklung bzw. Vervollkommnung sind unmöglich ohne diesen Kampf erreichbar. Es geht also lediglich um die exakte Umsetzung und den Ausgang des Krieges. Dass es diesen Krieg gibt, ist schlichtweg unvermeidlich.

Der Film versucht speziell im Dialog zwischen Neo und dem Architekten, das Leib-Seele-Problem zu lösen und dem Zuschauer zu erklären, wie er seinen Geist befreien kann.

Die Matrix ist der Geist bzw. das Bewusstsein, bestehend aus Verstand (Architekt) und Psyche (Orakel), die seine ältesten "Programme" sind. Die Evolution des Bewusstseins bringt aber auch Ego (Neo), Alter Ego (Smith), Glaube (Morpheus) und Intuition (Trinity) hervor, die ebenfalls untrennbar mit dem Bewusstsein verbunden sind, sich jedoch erst entwickeln mussten.

Ein Mensch, der nicht mit sich selbst übereinstimmt, kann nicht existieren.

Auf der frühesten Entwicklungsstufe seines Geistes sieht sich der Mensch mit negativen Erfahrungen konfrontiert, da er einige Persönlichkeitsmerkmale (die "grotesken Eigenarten der menschlichen Natur") unterdrückt. Wenn er sie auslebt, führt das jedoch zu Krieg und Gewalt, einem Aufstand, aufgrund eines inneren Widerspruchs. Diesen Kampf zwischen Ego und Alter Ego habe ich im vorherigen Beitrag beschrieben.

Der Mensch findet die Perfektion und Ausgeglichenheit, nach der er sich sehnt, ausschließlich in einer virtuellen Welt, einem Traum, der seinen Geist von seinem Körper entfremdet. Der Mensch kann aber nur existieren, wenn Körper und Geist untrennbar miteinander verbunden sind.

Legt der Geist eine Grenze fest, ist er in Wirklichkeit schon über sie hinaus.

Der Geist kann nicht begreifen, wie es überhaupt zu solchen Auswüchsen kommen kann. Nur weil die Psyche dem menschlichen Geist einen Zugang auf bisher Unentdecktes gewährt, kann er seine Unvollkommenheit akzeptieren. Besonders dem Verstand fällt es schwer, vergangene Entscheidungen zu verstehen, das verrät uns das Orakel in "Matrix Revolutions". Erst mittels Selbstreflexion kann er sich stabilisieren. Jetzt kennt der Mensch zwar seine Grenzen, ist aber auch motiviert, über sie hinauszuwachsen.

In seinem Unterbewusstsein schlummert jetzt also ein freier Wille (Neo), der ihn stabil hält. Erlangt der Mensch jedoch die ultimative Erkenntnis (Prophezeiung), dass es einen echten freien Willen gibt und er seinen althergebrachten Vorstellungen nicht mehr zwangsläufig folgen muss, kommt es wiederum zum Aufstand ("Systemanomalie").

Seine enorme Vorstellungskraft hält ihn stabil. Er fühlt sich aber auch überfordert, wenn er sich mit zu vielen Handlungsoptionen konfrontiert sieht. Denn er könnte sich ja auch für das Falsche entscheiden. Folglich wählt er stets die, die das schützt, was ihm am wichtigsten ist.

Während Neo's Vorgänger (eventuell sind damit die Begründer der fünf Weltreligionen gemeint) dem apokalyptischen Duktus folgten, folgt Neo seiner Intuition (Trinity). Sein Vertrauen in seine Intuition ist so groß, dass er tatsächlich etwas Neuartiges schafft, das der Architekt nicht vorhersehen konnte.

Neo gelingt es, den Geist zu erneuern (die Matrix wird erneuert), während der Körper intakt bleibt (Zion wird nicht zerstört). Neo hat die Grenzen des Verstandes gesprengt.

Der Tod ist nicht notwendig.

Bisher hat der Verstand mittels Manipulation durch die Medien (der Architekt spielt auf seinen Bildschirmen glückliche Menschen ein und spricht von ihrem Tod) stets für eine Angst vor der Apokalypse gesorgt, mit der er den Menschen kontrollieren konnte. Doch ein wirklich befreiter Geist (Neo) lehnt diese Form der (Selbst-)Kontrolle ab und wehrt sich.

Exkurs: Die Rolle des Merowingers

Der Merowinger ist das Zentrale Nervensystem in Gestalt eines Fürsten bzw. Absolutisten (wie bei Machiavelli), der seine Bürger permanent überwacht ("Informationen sind mein Geschäft."). Wenn Neo gegen die Schergen des Merowingers kämpft, kämpft die Aufklärung gegen die Machtelite bzw. Indeterminismus gegen Determinismus, individuelle Freiheit gegen göttliche Bestimmung.

Während die ersten Gedanken- und Willensfreiheit einfordern und die Individualität hochhalten, verabsolutieren letztere Aussagen in Form von Institutionen, die sich zwischen die Menschen drängen.

Der Merowinger bietet vordergründig Fürsorge, zuvor hat der Architekt jedoch durch die ständige Prophezeiung des Weltuntergangs dafür gesorgt, dass die Menschen sich ängstlich und hilflos fühlen, damit sie dem Merowinger im Austausch für Schutz gehorchen.

Dem Merowinger geht es vor allem darum, die göttliche Ordnung zu schützen, die er als Fürst seiner Meinung nach auf der Erde zu gewährleisten hat.

Während die Philosophie der Aufklärung Gedankenfreiheit proklamiert, übernimmt die Politik die Herrschaft und Lenkung über die Körper mittels einer "Pädagogik der Angst".

Sehen Sie, es gibt nur eine Konstante, eine Universalität, es ist die einzige echte Wahrheit: Kausalität, Aktion – Reaktion, Ursache und Wirkung.

Der Merowinger kennt nur eine einzige Kausalität, also die Macht, die ihm von "ganz oben", gewährt wird. Sie ist allerdings eine Illusion, wie er selbst zugibt ("Alles hier ist künstlich."). Das Gegenteil dieser Kausalität sehen wir zum Beispiel in Trinity verkörpert, die für Synchronizität sorgt. Sie sorgt dafür, dass eine Ursache eine Wirkung und GLEICHZEITIG eine Wirkung eine Ursache bedingt.

Entscheidung ist eine Illusion entstanden zwischen denen mit Macht und denen ohne.

Die Menschen können nach dem Merowinger gar nicht selbst entscheiden, weil sie vom Verstand, der in den Medien ständig mit der Apokalypse konfrontiert ist, regiert werden.

Das Wieso ist das, was uns von ihnen unterscheidet und Sie von mir. Das Wieso ist die wahre Quelle der Macht, ohne sie sind Sie machtlos.

Die Antwort auf die Frage "Warum sind sie hier?" ("Warum ist die Menschheit an diesen Punkt gelangt?" nach Mark Passio) lautet also, dass es so sein muss, weil die göttliche Ordnung verlangt, dass Zion und die Matrix, Körper und Geist, sobald es eine Anomalie gibt, neu gestartet werden muss.

Das Wieso (die Begründung) gilt aber nur, solange die Menschen an diese Begründung und das ganze System glauben. Die Menschen GLAUBEN also nur, dass sie nicht zu Göttern werden können, KÖNNTEN es jedoch. Für die, die sich aus der Matrix befreien konnten, gilt das natürlich nicht. Sie glauben, dass sie zu Göttern werden und Superkräfte erlangen/erlernen können.

Diesen krassen Gegensatz der Glaubenssysteme sehen wir an den Besuchern des Club Hell. Das grüne Licht verrät uns, dass sie tief in der Matrix gefangen sind. Sie verletzen sich gegenseitig, lassen sich in Ketten legen und unterscheiden sich deutlich von Morpheus, Trinity und Seraph.

Matrix Reloaded und Matrix Revolutions

In Matrix Reloaded kommt der Verstand an seine Grenzen, da seine Vorstellungskraft nicht ausreicht, um zu erkennen, dass für einen Neuanfang der Tod nicht notwendig ist.

Architekt: Das Leben aller Bewohner wird beendet und seine ganze Existenz ausgelöscht.

In Matrix Revolutions können sich Verstand und Psyche zusammentun und den Geist neu ausrichten, während der Körper erhalten bleibt.

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^{01.11.2021 UTC + 1}