2012 erschien im Carola Hartmann Miles Verlag ein Buch, das den Titel "Gegner wider Willen" trug. Autor war ein ehemaliger Fregattenkapitän der DDR Volksmarine, der die Koexistenz der beiden deutschen Seestreitkräfte in der Ostsee zwischen 1950 und 1990 schildert. Die See sowie das identische maritime Brauchtum und dessen Rituale verband die beiden militärischen Verbände, während ihre konträre Blockzugehörigkeit und militärische Gegnerschaft sie entzweite. Diese Spannung führte zu komischen Szenen: Verweigerung von Grusszeremoniellen und andere Unfreundlichkeiten.
Wenn sich Kunden und Lieferanten in die Quere kommen....
Es gibt einen systemischen Archetypus, der mit "Gegner wider Willen" bezeichnet wird, original "Accidental Adversaries". Allerdings ist die Story dahinter gerade umgekehrt zu derjenigen der beiden Seestreitkräfte: zwei Parteien, die grundsätzlich zusammenarbeiten, geraten immer mehr in den Strudel einer ungewollten Gegnerschaft.
Bekannt ist die Geschichte von Procter&Gamble (P&M) und Walmart in den USA. P&M ist ein Hauptlieferant des Grossdetailhändlers Walmart. Für P&M ist Walmart ein wichtiger Kunde, während P&M für Walmart ein strategischer Lieferant ist. Beide wissen sie, wie wichtig eine wohlwollende und gute Zusammenarbeit ist. Dennoch sind beide sich am nächsten und versuchen, ihren eigenen Geschäftgang zu optimieren. Das äusserst sich z.B. darin, dass P&M ab und zu Promotionsangebote macht, z.B. um ihre Läger optimal auszunutzen. Vielleicht ging grad ein Los zur Neige. Um Platz für eine neue Produktion zu schaffen, bot P&M die Ware zu niedrigerem Aktionspreis an. Das nutzte Walmart natürlich aus und kaufte ausserterminlich ein. Als P&M die Läger mit der neuen Produktion gefüllt hatte und auf die regelmässigen Nachfragen des Walmart wartete, blieben diese aus und die schöne Zusammenarbeit geriet aus den Fugen, was beiden Seiten Zusatzkosten verursachte.
The Systemthinker illustriert das wie folgt:
Der äussere Kreis stellt die gegenseitige Unterstützung dar. Die beiden kleinen Kreise, links und rechts, stellen die unabhängigen Optimierungsanstrengungen dar, mit den Aktionen der P&M und der Einkaufspolitik von Walmart. Von diesen beiden Kreisen aus gehen negative oder gar schädigende Einflüsse auf die Geschäftsverläufe der jeweils gegenteiligen Partei.
Amerika first
Generisch wird der Archetypus so dargestellt:
Trotz guter Vorsätze wird die Zusammenarbeit immer schwieriger und verkehrt sich sogar in eine Gegnerschaft. Gut beobachten können wir das heute innerhalb des atlantischen Bündnisses: Trump's "Amerika first" führt bei den Bündnispartnern zu mehr oder weniger starken Benachteiligungen. In der Konsequenz müssen z.B. die Europäer vermehrt für sich selbst sorgen, was vermutlich Trump's Slogan stärkt.
Auch innerhalb der EU tritt der Archetypus immer deutlicher in der Vordergrund. Je schwieriger die wirtschaftlichen Verhältnisse, desto mehr schaut eine Nation für sich und gefährdet die Zusammenarbeit. Schliesslich zerstreiten sich die Partner und es kommt zu Auflösungserscheinungen des Bündnisses.
Ein wenig gleicht der Archetypus der "Tragödie der Allmende". Während dort aber das System zurückschlägt, sind es hier ausschliesslich die Vertragspartner, die jedoch den Widerwärtigkeiten des Wettbewerbs ausgesetzt sind. Insofern ist dort das System bremsend, während es hier treibend ist.
Demokratie und Kapitalismus
Ich habe hier ein Puzzle für Sie vorbereitet: In der herkömmlichen Denkweise ist die Demokratie Nährboden der freien Marktwirtschaft (um nicht zu sagen: "des Kapitalismus"). Die Wirtschaft erwartet von der demokratischen Politik, dass diese Handelshemmnisse abbaut und den gesetzlichen Rahmen für einen gewinnbasierenden Wettbewerb zur Verfügung stellt. Umgekehrt bietet die Wirtschaft den Bürgern einer Demokratie Prosperität und möglichst Vollbeschäftigung.
Können Sie sich vorstellen, dass die Anstrengungen der Politik, die Demokratie auszubauen, die wirtschaftlichen Ziele behindert und umgekehrt, dass das Gewinnstreben der Wirtschaft die demokratischen Grundsätze bedroht?
Ich bin gespannt, welche Gedanken Sie dazu entwickeln. Schreiben Sie sie in einem Kommentar zu diesem Post! Wenn es Ihnen gelingt, Ihre Ideen im insightmaker.com als Causal Loop Diagram darzustellen, umso besser!
Sehr interessantes Thema. Wobei der Vergleich mit Politikern mMn etwas hinkt, da diese ja sehr wohl von einem Konflikt profitieren können, der zwar der Volkswirtschaft und ihrem Land Geld kostet, ihnen selbst aber Stimmung und Stimmen der Bevölkerung bringt. Was eventuell die Erklärung dafür ist, warum diese Konflikte trotz des offensichtlichen wirtschaftlichen Schadens geführt werden.
Ja, auf der Ebene einzelner Politiker hast Du recht. Ich spreche aber von Staaten mitsamt ihren Bevölkerungen. Da geht es nicht um Stimmen und Stimmung, sondern um Zusammenarbeit oder Gegnerschaft. Der Brexit bringt tatsächlich Stimmung in die Gilde der EU-Politiker und den Initianten Stimmen (wo sind sie eigentlich?). Aber auf der Ebene des EU-Staatenbundes wirkt er sich insgesamt störend aus und wirkt der Zusammenarbeit entgegen.
Ja, ganz deiner Meinung. Gut aufgeschlüsselt.
Hi @paaddor!
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