Ich beobachte Menschen und lausche gern ihren Gesprächen.
Das entspannt mich, erweitert meinen Horizont für den Zeitgeist, in meinem Lebensumfeld. Daher besuche ich gern Kaffees und Restaurants oder andere Plätze, an denen sich viele Menschen aufhalten und entspannt plaudern.
Ich beobachte gelegentlich, dass Menschen große Ängste besitzen und diese mit Vorurteilen kompensieren. Bei uns in Leipzig gibt es z.b. einen obdachlosen Mann, der in einer Einkaufspassage gegenüber von einem Bäcker sitzt. Ich selbst sitze in diesem Bäcker und trinke gemütlich meinen Kaffee. Der Mann hat immer einen kleinen Hund dabei und bettelt offensichtlich auf der Straße nach Essbaren für den Hund und nach Geld. Er ist recht passiv, belästigt niemanden und bedankt sich immer sehr freundlich und nett. Man kann gut sehen, dass dieser Mensch mehr Anstand hat, als andere Zeitgenossen, denen es materiell wesentlich besser geht.
Ich kenne die Gründe nicht, warum er auf der Straße lebt. Ich weiß nicht was ihn in diese Situation führte und auch nicht, ob er so leben will oder muss. Ich mach mir aber auch kein großes Urteil über Ihn, bis auf die Dinge, die er selbst ausstrahlt.
In der Bäckerei gegenüber kommen und gehen Leute.
Wie das nun mal so ist. Und es ist nicht schwer die vielen Gäste zu belauschen. Mann kann in Gespräche reinhören, ohne sich besondere Mühe zu geben. So mache ich aus der aufdringlichen Geräuschkulisse eine Tugend und höre gern zu.
Vor einiger Zeit gesellste sich eine kleine Famile in das Kaffee. Es waren Sohn , Tochter und ihre Mutter. Ich schätze die Jugentlichen auf c.a 15-17, da sie , wie sich späther noch herrausstelle, bei der Mutter wohnen. Sie setzten sich einen Tisch weiter vor mir und plauderten munter drauf los.
Die Tochter viel mir besonders auf.
Nein, nicht was Ihr denkt. ;) Sie schaute ständig mit einen typischen Blick des Genervt-seins. Alle Gespräche die Ihr Bruder und Ihre Mutter mit ihr führen wollten, erzeugten bei ihr Ablehnung und erzeugten wiederspenstige Antworten. Ich dachte mir so, typisch Teenager, verwöhnt, große Klappe und zu nichts zu gebrauchen außer zum Kunsumieren. Da war dann mein eigenes Vorurteil, dass sich noch festigen sollte. Sie dattelte nur mit Ihren Telefon, dass smarter war als Ihre unüberlegten Äußerungen.
Die Tochter ist also nur am Meckern und entdeckt nebenbei den offensichtlich obdachlosen Mann auf der Straße. Da meinte sie plötzlich, dass der ja selber Schuld sei und nicht auf der Straße leben müsse und machte noch einige andere abfällige Bemerkungen. Die Mutter mischte sich in die Diskussion ein und sagte dann nur. "Sei mal froh dass Du noch bei mir wohnst, nicht arbeiten musst und alles gemacht bekommst. Du weisst doch garnicht warum er da lebt.". Mann konnte deutlich sehen, wie peinlich der Tochter das war. Ich musste mir das Grinsen verkneifen. Im Umkreis von 5 Metern haben garantiert Leute alles mitbekommen.
Ich dachte mir so, wenn es spannend ist, zu wissen warum man Obdachlos werden kann, warum verdammt schaut man sich darüber kein Video bei Youtube an oder geht mal auf diese Menschen zu und redet mit Ihnen. Zugegeben, ich bin jetzt nicht der Mensch, der Jeden anquatscht. Vor allem sind manche Obdachlose auch extrem unangenehm in ihren Auftreten oder gerade im Rausch. Aber es gibt genug Leute die eben nicht so sind und dennoch ohne Bleibe leben.
Vor Kurzem habe ich mal wieder eine sehr gute Doku über die Thematik gesehen, wie Menschen immer mehr und systematisch verarmen. Sowas passiert also scheinbar nicht von Heute auf Morgen. Die Schicksale der Menschen sind einfach zu unterschiedlich und hinter jedem Menschen steckt eine, oft lange Geschichte.
Ich habe drei Obdachlose persönlich über mehrere Woche bzw. auch längere Zeit kennen gelernt. Zwei davon haben mal bei mir übernachtet. Ich kenne auch Menschen die schonmal Obdachlos waren und wieder Sattelfest in Ihren eigenen Wänden leben. Ich kenne auch einen der im Winter erfroren ist.
Mich stört es nur, wenn Menschen, die im Leben nichts geleistet haben, alles bekommen ohne sich dafür anzustrengen und sich dann hinstellen um anderen dann zu erklären, dass diese doch selber Schuld an Ihrer Lage seien, ohne, dass diese Menschen sich die geringste Mühe machen hinter die Fassade zu blicken. So einfach ist es eben nicht. Aber dazu müsste man sich mit Themen beschäftigen, die eben nicht so schön aufregend und Bunt sind wie die Glitzerwelt des Kommerz.
Besonders Menschen, denen es gut geht, bilden sich oft ein, dass alles nur auf Ihre Leistung beruht. Diese Menschen glauben zu gern, dass sie es geschafft und verdient haben und andere nicht. Diese arrogante Haltung durfte ich auch wieder von einem Kollegen auf Arbeit erfahren. Er selbst hat alles was er braucht. Familie, Freunde, ein gutes Einkommen, ein gefestigtes soziales Umfeld. Auch er sagte, dass Obdachlose selber Schuld sind, zu dumm und dass sie es daher verdient haben so zu leben. Man könne heute angeblich so einfach eine Wohnung bekommen und müsse ja nur arbeiten gehen. Der Staat bezahlt ja alles?
Persönlich habe ich die Erfahrung gemacht,
wenn man wirklich mal in eine Notlage gerät, ist die Hilfe, die man bräuchte, am geringsten. Ohne eigene Kraft hätte ich meinen schlimmen Absturz nicht überwunden.
Wir wissen von anderen Menschen oft Nichts. Das sollte uns zu mehr Demut geben über unseren Vorurteilen führen. Unsere Urteile bestimmen unsere Handlungen und führen nicht selten auch zu Gewalt in der Gesellschaft.
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Das sind u.a. die typischen Sätze der Schlafschafe die auch solche Dinger raushauen wie "Geld ist doch egal, Hauptsache Arbeit". Einfach dumm, ignorant & ekelhaft.
LOL
Es ist ein mehrschneidiges Schwert. Ich habe bei Youtube Dokumentationen zum Thema gesehen (da ist ja einiges von ARD und Co. hochgeladen) und bin immer noch, trotzdem oder gerade deswegen der Meinung, daß es schon eine bewußte Entscheidung ist, sich dem Alkohol hinzugeben (der kostet doch auch Geld!) oder sich in Freiheit zu wähnen, wenn man wohnsitzlos ist (betrifft eher jüngere Leute). Das Spektrum der Möglichkeiten, an so einen Punkt zu gelangen, ist ja genauso groß wie die Persönlichkeiten der Menschen. Manche nehmen Hilfe an, manche nicht, manche wissen vielleicht gar nicht, wo es welche gibt und andere wiederum bringen die Kraft nicht auf ... Und ich glaube, man kann für sich schon sagen, ich möchte das (für mich) nicht, ohne den Betroffenen Würde zu rauben.
Die Quintessenz liegt gerade darin, Menschen negativ zu beurteilen ohne den einzelnen zu kennen. Das ist gerade eines der absoluten Menschheitsprobleme und zeigt, wie beschränkt wir als Völker und Nationen immer noch sind. Es wird sicher noch paar Millionen Jahre Entwicklung brauchen, bis wir mehr Gelassenheit besitzen. Ich denk aber auch der Konkurrenzdruck in der Gesellschaft führt zu solchen Meinungen. Ein bewusstes Abgrenzen von Dingen, die man selber nie erfahren möchte.
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