Selbstverständlich wollte ich dem Wort in absehbarer Zukunft einen Artikel widmen. Dabei dachte ich an einen Ehrenplatz in der kleinen Serie "Wörter auf dem Abstellgleis", wird es doch kaum mehr durch aktiven Sprachgebrauch in Bezug auf Persönlichkeiten des öffentlichen Geschehens eingesetzt. Nun sind meine Pläne dahin: Seit vier Tagen ist Ehrenmann (gendersprachlich selbstredend auch Ehrenfrau) das Jugendwort 2018!
Morgens las ich die Meldung etwas verwundert in der regionalen Tageszeitung, ließ sie mir durch Rundfunksprecher stündlich wiederholend ins Ohr säuseln und erhielt die vermeintliche Bestätigung in den 20-Uhr-Nachrichten der ARD. Ungläubig begab ich mich an den Computer. Tatsächlich, renommierte Online-Redaktionen von Spiegel, Focus, Welt, Duden und natürlich des Verursachers selbst, dem Langenscheidt-Verlag, kannten nur eine Schlagzeile: Ehrenmann ist Jugendwort des Jahres 2018.
Keine der Meldungen kam mir irgendwie verbuggt vor und so forschte ich, die ich täglich mit Jugendlichen arbeite, weiter, bevor ich mich endgültig zum Lauch abstempeln ließe.
Als "Ehrenmann" beziehungsweise "Ehrenfrau" werde jemand bezeichnet, der etwas Besonderes für einen tut, erklärte der Langenscheidt-Verlag in München. Diese magere Definition unterstrich nun also die Wahl einer angeblich aus Journalisten, Bloggern, Schülern und einem Polizeikommissar (!) bestehenden Jury.
Natürlich kenne ich das Wort "Ehrenmann", aber doch aus zurückliegenden Jahrhunderten, nicht in der Jugendsprache. Möglicherweise ist die Definition des leider antiken Nachschlagewerks Brockhaus, die den Ehrenmann mit dem französischen Honnête Homme, einem "Mann von Welt", gleichsetzt, etwas hochgestochen, doch kommt sie meinem Begriffsverständnis durchaus nahe:
Persönlichkeitsideal v. a. des französischen Klassizismus, das besonders die Salonkultur des 17. Jahrhunderts prägte. Der Honnête Homme war frei von ökonomischen Zwängen, universal gebildet, taktvoll, ein Meister der Konversation und Kommunikation und zeigte sich als zurückhaltender, aber aufmerksamer Beobachter. Geprägt wurde das Bild des Honnête Hommes u. a. durch Schriften von B. Castiglione und Nicolas Faret (* 1596, † 1646; »L'honnête homme ou L'art de plaire à la cour«, 1630).
Außerdem erzählten doch bereits Walther von der Vogelweide (ca. 1170-1230) und seine mittelhochdeutschen Autorenkollegen von êre und die untadeligen Ritter und Helden, die ihr Leben dem Streben nach dieser Tugend widmeten, waren eben Ehrenmänner.
Der Duden macht es sich einfach und erklärt uns den Ehrenmann in einem knappen Satz: Ein Mann, auf dessen Wort man sich verlassen kann.
Sheeeesh? Nun, ich wollte wahrlich nicht lindnern und nutzte meine Gedanken für eine aktuelle Stunde in der Schule, in der ich die jugendlichen Experten in lockerer Atmosphäre um Rat bat.
"Nun erklärt mir doch bitte mal, wann ihr das Wort Ehrenmann benutzt", fragte ich und erntete... Schweigen. Ich wollte nicht aufgeben, immerhin sprach ich mit jungen Menschen, die mich schon mal auszählten, weil ich das Wort "krass" dummerweise umgangssprachlich, aber irgendwie spontan, im Unterricht einsetzte. Wenn ich krass sage, wäre das total uncool, denn erstens sei das Wort schon lange out und zweitens würden alte Leute so nicht reden. Auf letztere Begründung empört reagierend, sollte ich doch erstmal mein Leben chillen. "Bitte", flehte ich, "ich weiß es wirklich nicht. Was ist heute ein Ehrenmann?" Ein jugendlicher Sprachexperte hatte Erbarmen und trat mit mir in den Dialog: "Hä? Nie gehört. Wer sagt denn sowas?" - "Keine Ahnung, das müsst ihr besser wissen, es handelt sich um das Jugendwort des Jahres 2018." - "Echt? Krass, eye!"
Ich freue mich so sehr, dass ich vielleicht doch noch nicht zu alt für das Verstehen von Jugendwörtern bin, danke dem jungen Autoren des Artikels "Hört auf unsere Sprache zu manipulieren!" und werde über die folgende definierende Aussage des Schriftstellers Edmond de Goncourt (1822-1896) noch einmal intensiv nachdenken...
Unter Journalisten ist ein Ehrenmann, wer sich die Meinung, die er vertritt, bezahlen lässt und der ist ein Schurke, den man dafür bezahlt, eine Meinung zu haben, die er nicht hat.
Good article.
Tks.
Daniel.
Hi Dan,
what a pleasure!
So you've translated the text?! Thanks. Than you might have noticed my teaching ambitions ;-)
Did you get my email?
And did you find all the replies to your last comment? I recommend to use the tool steemworld.org to watch all your Steemit-aktivities.
See you, Chriddi
Ich hatte mich so gefreut auf die Aufklärung am Ende des Artikels.
Es tut mir so leid, dich eventuell enttäuscht zu haben, lieber Leroy. Ich kenne dieses Gefühl spätestens seit meiner genialen Unterrichtsidee.
Immerhin hat @alucian sich bemüht, unserer Generation ein wenig auf die Sprünge zu helfen.
Oder hast du am Ende ein romantisches Ende wie @w74 erwartet? Hm, vielleicht sollte ich doch mal mit einem anthropologischen Artikel aufwarten und meine Sicht des Ehrenmannes ausarbeiten? Danach könnt ihr euch dann gern so viel duellieren, wie ihr wollt. Allerdings werdet ihr euch noch ein wenig gedulden müssen, ich muss mich erst noch tieferen Studien im Bereich des Minne-Gesangs widmen.
Liebe Grüße,
Chriddi
Vong Nicigkeit her 1 echt naiser Beitrag
äh.. ja, also ich kenne "Ehrenmänner" eher aus einem Internetphänomen heraus wo ich nicht zwingend sagen würde das dort nur junge Menschen aktiv zu sein scheinen. Ich beobachte jenes allerdings auch nur inaktiv und lasse mich Entertainen.
Dort jedoch - würde ich sagen kursiert das schon seit 2015/2016 und betitelt Leute die sich in diesem "Game" bezahlt gemacht haben und Content geliefert haben. Lauch gibt es in diesem Zusammenhang übrigens gar nicht.
Dies ist aber auch das einzige wo ich "Ehrenmann" wahr genommen hab... bei Jugendlichen, seien es die leibeigenen (Muaha) oder auf der Arbeit und wo immer man sonst noch Kontakt zur jüngeren Szene hat, habe ich das noch nie gehört.
Vielen Dank für deine Rückmeldung.
Ist doch aber auch irgendwie schön, dass wir uns nun Gedanken über klassische Vokabeln machen können, ohne das Gefühl haben zu müssen, zum alten Eisen zu zählen.
Vielleicht gibst du deinen Leibeigenen ja sogar noch Nachhilfe. Pass dabei aber auf, dass es nicht zu blutig wird ;-)
LG, Chriddi
Hallo Christiane,
was dabei jetzt rauskommt, das weiß ich selbst noch nicht.
Auf jeden Fall erklärt
weshalb ich noch immer nicht im Geld schwimmen kann.
Doch bin ich "Ehrenmännern" in meinem Beruf nur ganz selten begegnet - und wenn, dann fühlten sie sich bereits unantastbar. Also das Material in der Eigenschaft eines Mantels, den sich ein Journalist nie umhängen sollte.
Das klingt äußerst negativ und das hat der Lauch mit Sicherheit und du überhaupt nicht verdient.
Ironischerweise lief mir ein Mitglied der Familie Langenscheidt heute auch schon über den Weg, doch den Bezug zur Jugend konnte ich nicht unmittelbar erkennen.
Du hast dich durch äußere Einflüsse beeindrucken lassen und mir nicht wirklich erklärt, wo der Ehrenmann an seinem Heim zimmert und inwieweit er bereit ist, sich überhaupt in die Karten schauen zu lassen.
Also schieb' alles Aufgezwungene zur Seite und bringe deine Sicht auf die Dinge zu einem romantischen Ende, denn das hat der Ehrenmann verdient.
Zumindest muss er zum Duell bitten.
Liebe Grüße
Wolfram
Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar, lieber Wolfram.
Den soll ich mal in seiner Gänze verstehen. Puh, entweder es ist schon zu spät am Abend oder ich erhalte doch noch das Lauch-Prädikat. Jepp, dieses leckere Gemüse mit einem Trottel gleichzusetzen ist wirklich eine nicht akzeptable Verunglimpfung. Naja, deshalb ist's für "Lauch" bei der Jugendwortwahl wohl auch nichts geworden. Mein persönlicher Favorit war ja "lindnern" als Synonym für "lieber etwas gar nicht als schlecht machen", wobei ich es aktiv auch noch nie gehört hatte.
Kann es sein, dass wir das Goncourt-Zitat unterschiedlich interpretieren? So wie du den Ehrenmann vom Schurken löst, hört es sich bezogen auf den sich bezahlen lassenden Journalisten wirklich nicht sehr ehrenhaft an und ich denke sogleich an Bestechung.
Den ganzen Satz lesend, verstehe ich es so, dass in eurem Berufsstand ein Ehrenmann ist, wer seine Meinung offen kundtut, aufklärt, aufdeckt. Wenn er seinen Artikel verkauft, bekommt er natürlich Geld dafür. Der Schurke hingegen, verkauft Weisheiten, die ihm in den Mund gelegt wurden - vielleicht sogar von "Meinungsbildnern" und Lobbyisten, die noch ein bisschen mehr drauflegen. In dem Fall sähe ich es als sehr ehrenhaft an, dass du Dagobert Duck nicht als Schwimmlehrer gewinnen konntest.
Ehrenmänner mit dem Beruf Journalist oder Ehrenmänner, auf die du in Ausübung deines Berufes triffst? Letzteres scheint mir irgendwie völlig klar zu sein...
Vermutlich hat nicht jeder Langenscheidt denselben Beruf. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die "Linguisten" aus der Jugendsprachabteilung nicht unbedingt mit übersetzenden Blindgängern aus Zagreb kommunizieren.
Und jetzt komme ich nicht weiter, hilf mir bitte auf die Sprünge! Welche äußeren Einflüsse, welches Heim, welche Karten? Welcher Ehrenmann überhaupt? Was ist hier überhaupt romantisch, wenn ein uralter Begriff, der sich in seiner Bedeutung kaum verändert hat, maximal in der Häufigkeit der Nutzung in spezifischen Gesellschaftsschichten verlagert ist, zum Jugendwort gekürt wird? Ist meiner Meinung nach nur eine Werbekampagne für Langenscheidt, wer weiß, ob da nicht sogar Schurken ihre Finger im Spiel haben?
Auch das Duell verstehe ich nicht ganz. Du meinst hoffentlich kein auszufechtendes Wortduell - mit dir als Gegner würd ich mir ja jetzt schon in die Hose machen.
Hm. Verrissen?!
Liebe Grüße,
Christiane
P.S.: Auf die untere Trennlinie bin ich schon lange scharf - darf ich die behalten?
Du interpretierst viel zu viel in meine Sätze hinein.
Ehrenmann im Zusammenhang mit dem Duell ist ein Rücksprung in die Zeit, als der Ehrenmann, der seine Frau in den Armen eines anderen Mannes vorfand, diesen sofort zum Duell aufforderte. Zwar nicht im Bett, aber zumindest draußen auf der Wiese oder am weitläufigen Strand. Ist auch egal wo, Hauptsache hinterher war einer mausetot.
Dein Satz, der den Journalisten und Ehrenmann betrifft, ist von mir so verstanden worden, dass du den korrupten Kollegen zum Ehrenmann kürst. Ist auch egal, da es unter Journalisten sowieso keine Ehrenmänner gibt - hier findest du nur gute und schlechte ...
Was den Rest betrifft, hätte mich sehr interessiert, wie dein Artikel ausgesehen hätte, läge die Konzentration ganz auf dem Ehrenmann ohne den Blick nach rechts und links in die Presselandschaft und "Blödsinn des Jahres Kürer".
Natürlich darfst du die Trennlinien behalten. Zu Weihnachten gibt es dann noch drei mehr.
Ich hoffe nun den aufsteigenden Nebel vertrieben zu haben und es herrscht wieder klare Sicht auf Südtirol.
Wolfram
Mausetot ist ja nicht wirklich romantisch. Aber ich denke nach, wie ich Leroy bereits schrieb.
Wenn die guten auch gut bezahlt werden, wundert es mich natürlich doch, warum du nicht im Geld schwimmst ;-)
Klare Sicht in einen glasklaren Sternenhimmel, also in eiskalter Luft...
LG, Christiane
Ich schwimme ja - aber nur in der Badewanne oder in wirren Gedanken.
Super geschrieben - mit oder ohne Porree ist doch egal. Oder doch lieber Lauch? Das passt dann wieder zu den erlauchten Kreisen, in denen Ehrenmänner sich bewegen... Diese Sprache macht mit uns (und den Journalisten) aber auch was sie will!
Dafür lieben wir sie, äh, also die Sprache! Und solange man sie noch hinterfragen kann, ist sie doch in all ihrer Lebendigkeit auch wirklich liebenswert.
Hab Dank für die erlauchte Rückmeldung,
liebe Grüße,
Chriddi
Den Artikel hast du sehr gut recherchiert.
Das Spiel und Jonglieren mit den Worten finde
ich immer herausfordernd.
Die Bedeutung von alten Worten herauszufinden
ist schon beeindruckend.
Viele Grüße.
Vielen Dank für diese tolle Rückmeldung, freut mich wirklich sehr!
LG, Chriddi
Haha super Artikel! :D
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Danke ;-)
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