Samstag war es wieder so weit: "Familienskat". In unregelmäßigen Abständen treffen sich meine Mutter, ihr Mann, mein Bruder und ich zu diesem leider viel zu seltenen - meine "Eltern" sind Rentner, da hat man nie Zeit - doch schwer lieb gewonnenen Ereignis, bei dem es nach ganz harten Regeln zugeht. Skat ist kein Schnackspeel und Skat ist schließlich kein Spaß, macht aber unglaublich viel Spaß!
Die Zeiten, in denen ich mich zum Ende einer langen Zockernacht über einen sicheren Grand Hand wegen der acht Buben im Blatt freute, sind schon lange vorbei; in geschlossenen Räumen wird in der "Familie Chriddi" seit Ewigkeiten nicht mehr geraucht. So ist es mir irgendwann gelungen, die seit frühester Kindheit bestehende kognitive Verknüpfung des Skatspiels mit heftigem Kneipengeruch zu löschen.
Skat wird in meiner Familie seit jeher ganz groß geschrieben. Relativ streng katholisch erzogen, habe ich früh gelernt, dass man nicht um Geld spielt. Als einzige Ausnahme galt Skat, weshalb wir Kinder das Spiel in Unkenntnis des Grundes (wir haben bis heute keine Erklärung - nur schelmisches Grinsen - erhalten) unweigerlich als eine Art Heiligenikone ansehen mussten. Dennoch zeigte ich eher wenig Interesse am Skat, war nie bereit, das Spielen zu erlernen, wobei ich nicht glaube, dass dies an der Schwierigkeit der Verarbeitung von Doppelmoral lag.
Meine Liebe zum Skat erwachte erst vor 25 Jahren. Damals starb mein Vater, wir drei "Kinder" lebten für ein paar Tage wieder unter einem Dach, um die Mutter zu unterstützen. Meine recht Skat-affine Mutter war zu dieser Zeit für eine Ablenkung nicht zu haben und so riefen meine Brüder irgendwann: "Chriddi, wir brauchen einen dritten Mann!" Die Jungs brachten mir das Spiel bei und ich leckte bis heute Blut...
Richtig ruhig geht es bei diesem - besser konzentriert zu spielenden - Kartenspiel wohl selten zu. Vielleicht ausnahmsweise, wenn auf sportlichen Turnieren strikt nach Altenburger Regeln die Karten auf den Tisch gekloppt werden. Ansonsten lebt Skat aber von der Atmosphäre, die in jeder Runde eine gewisse Eigendynamik entwickelt, wenn neben den bekannten Skat-Weisheiten noch weitere Sprüche hinzukommen. Ab und zu muss es sein: dann liebe ich die abgedroschenen Plattitüden, mit denen nahezu jeder Stich kommentiert wird, den Mitspielern auch mal verbotene Hinweise gegeben werden.
Vor Beginn des Spiels wird über 20 Jahre nach der Währungsumstellung auf stets dieselbe Weise (ähnlich "Täglich grüßt das Murmeltier", mit dem Unterschied, dass in dem Film Lernfortschritte des Protagonisten erkennbar sind) das Finanzielle geklärt: "Halber Cent, wie immer!" - "Nein, viertel Cent, wie immer!" - "Wieso? Wir haben immer um einen halben Pfennig gespielt!" - "Eben. Das ist ein viertel Cent." - "Viel zu kompliziert!" - "Ja, ja klar, durch vier statt durch zwei zu teilen, ist extrem kompliziert." - "Ist doch egal, Chriddi schreibt doch sowieso." - "Wie immer. Wer schreibt, der bleibt!".
Die familieninternen Regeln müssen rituell noch einmal wiederholt werden, könnte ja sein, dass jemand in der Zwischenzeit fremd gespielt hat:
- Contra, Re, keine Spitze
- bei Null Ouvert Büx rünner, keine Revolution
- Contra verloren = Bock, Ramsch; Re immer Bock, Ramsch
- Schieben und Jungfrau verdoppeln (teuer)
- nur ein Grand Hand pro Person in der Ramschrunde (teure Extraregel)
- keine Jungs quetschen
- was liegt, das liegt - verworfen, verloren
- bei -1000 Punkten verbeugen
- nur der Geber darf die Toilette aufsuchen (vornehm für "nur wer sitzt, pi..." - Spielunterbrechung wird nicht geduldet)
- Rauchpause nur vorm Ramsch (zur Beruhigung bei Piepenpanik)
Obwohl niemand von uns im Alltag plattdüütsch spricht, wird im familiären Skat-Jargon automatisch op platt gereizt. Achteihn - twinnig - twee - null - veer... wech... Din Speel!
Bei der Spielansage sind statt Kreuz, Pik, Herz, Karo meist Jupp an de Latt, Pikus der Waldspecht, Herzlich schön singt unser Küster sowie Karauschen mit Maibutter zu vernehmen.
Dann wird gedroschen. Die Kleinen holen die Großen, auf dem Tisch wird gestorben, man spielt Ässe oder hält die Fresse, es wird gemauert und geschnippelt und Oma verläuft sich oft im Wald. Wer kann, der soll und die lange Farbe nimmt den kurzen Weg. Oft spielt man mit Studenten oder es geht vorm Lokus in die Büx. Es werden Bilderbuch-Blätter verraten, Kaffeekränzchen verunglimpft oder über je einen Köter aus jedem Dorf gejammert.
Beim anschließenden Zählen sind Schneider auch Menschen, 59 1 / 2 ist ein sicheres Ding und der gespaltene Arsch täte mehr weh, gäbe es daraufhin keine weitere Bock-Ramsch-Runde.
Ramsch ist ja so eine herrlich unberechenbare Spielvariante! Und es ist Balsam für die Seele der Schadenfreude, wenn selbst das eisernste Pokerface vor Entsetzen erblasst, weil man sich selbst in Mors scheevt hat!
Ach ja, was hat denn nun Helmut mit dem Ganzen zu tun? Der ehemalige Skatbruder meines Vaters kommt in unserer Familie posthum oft zu fragwürdigen Ehren. Er ging häufig über die Dörfer, obwohl er den höchsten Trumpf besaß. Auch ich lasse den Krüüz-Jung gern mal zu einer Zeit auf dem Tisch aufschlagen, wenn einige Mitspieler bereits am Grübeln sind, ob er nicht vielleicht doch schon gefallen sei und sie das konzentrierte Mitzählen vergessen haben könnten. Ein verhöhnendes "Helmuuut!" im Chor bleibt darauf nie aus...
Nachdem in dieser langen Nacht alle Mitspieler das große Zocker-Latinum mit Bravour bestanden hatten, musste ich leider die Fupp ziehen. Das heißt - verflucht geliebter Ramsch - ich musste zahlen. Da die Punktabstände jedoch recht moderat waren und sich niemand ehrfürchtig verbeugen musste, werde ich über 0,74 Euro für einen außerordentlich gelungenen Abend nicht klagen.
Skat einfach Super da bekommt man gleich Lust ne Runde zu klopfen
Beim Spiel Mund natürlich zu auch die Zuschauer
Strenge Spielregeln habt ihr aber das macht es ja aus
VgA
Freut mich! Ich spiele leider auch viel zu selten. Muss mich aber auch konkret verabreden, einfach so mal "Karten raus" geht nicht, da viele Freunde in meinem direkten Umfeld kein Skat spielen können.
Die strengen Regeln sorgen stets für viel Gelächter... ;-)
Viel zu selten, ja wenn ich da an die Siebziger denke, streng katholisch erzogen,so war’s!,Sonntags morgens die Frühmesse die die Skatspieler meist fünf Minuten früher verlassen haben um schnell in die Kneipe zu kommen und die Karten auf den Tisch , zu denen sich ein Bier und eine 15 Pfennige Zigarre gesellte eine halbe Stunde später konnte man die Luft schneiden und die Kinder mittendrin. Eine schöne Zeit war das
VgA
Jo. Frühe Siebziger. Ich war also nicht das einzige Kind, dass sich mit dem lustigen Drehstuhl an der Theke die Zeit vertrieben hat, wenn sonntags zum Frühschoppen (hieß so, auch wenn's keinen Wein, sondern Bier gab) 32 Karten gezogen worden und der Aschenbecher mit HB, Stuyvesant und Ernte 23 bis zum Rand gefüllt wurde ;-) Hurra, wir leben noch! :-D
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Jipieh!
... klappt ja wieder ;-) Super!
Jein. Der Kommentar ist da und vielleicht erhalten die Kommentatoren meines Beitrags CC. Ich allerdings immer noch nicht :-(
Tschä, haben die Jungs wohl Besseres zu tun, als sich um jammernde Supporter zu kümmern. Vielleicht sind sie zu dritt und spielen Skat?!
Ich finde es schade dass auf die vielen Mentions und deine Anfrage keine Antwort kam.
Das ist doch recht steem-ungewöhnlich.
Vielleicht Krankheitsfälle.
Es scheint viel Spaß zu machen.. Leider kann ich das Spiel nicht 😁. Mein Partner hier spielt auch nur Schach. Ich wündere mich, ob er mir das Spiel beibringen kann.
Jo, Skat ist die Macht... ;-) Allerdings benötigt man drei Mitspieler.
Spielst du denn auch Schach? Oder ist es das Spiel, was du dir wünschst, von Jaki beigebracht zu bekommen?
Beide Spiele sind nicht unbedingt vergleichbar, aber jedes auf seine Weise faszinierend!
Ich kann Schach spielen, aber meine Niveau ist sehr weeeeeit von Seiner entfernt 🤭😁. Es ergibt also nicht viel Spaß mit ihm zu spielen, da ich immer verlieren werde.
Solange die Freude am Spiel für Beide erhalten bleibt, ist es doch egal, ob man verliert oder gewinnt... 😉
Das stimmt auch 😉
Ein zauberhafter Bericht, bei dem durch die einmalige Skatsprache Erinnerungen an durchgespielte Skatnächte wach werden. Lang ist´s her. Da kann man wirklich nichts hinzufügen, es ist alles gesagt und hört sich plattdüütsch gesprochen auch schöner an, z.B. Büx rünner - statt Hose runter. Auch daß eine Freundin, Schwester "vergewaltigt" wurde, in Ermangelung eines dritten Mannes, mit zu spielen. Seltsamer Weise machte oft zu Beginn das Reizen Schwierigkeiten, was mit einer langen Liste einigermaßen behoben wurde. Ich erinnere mich an ein Spiel in der Mittagspause bei Hüttenwerk Oberhausen (gibt es schon Jahrzehnte nicht mehr) da wurde ein Kreuz Solo gewonnen, bei dem der Spieler Kreuz 9 als höchsten Trumpf auf der Hand hatte, nicht etwa Kreuz Ass und 10 gedrückt. Ist das möglich oder hat sich im Laufe der Zeit eine Erinnerung umgeformt??
Haha, danke für deinen ausführlichen Kommentar - ich lach mich scheckig!
Jo, "Büx rünner" ist gut. Vielleicht rutschen wir ins Platt, weil es sich nie so derb anhört. Man kann op platt natürlich auch heftig schimpfen, es wirkt aber nie boshaft oder völlig abwertend, eher liebevoll augenzwinkernd. Ich bin nach verrissener Vorhand lieber ein Dösbaddel als ein Blödmann oder Dummkopf.
Klar. Wenn du ein sehr gutes Beiblatt hast und die restlichen Trümpfe verteilt sind. Definitiv nicht einfach und ganz schön riskant! Vermutlich schwer überreizt.
In meiner Jugend hatte ich auch Skat gedroschen, war aber mehr um das !BEER trinken mit den Kumpels, vor den Eltern zu entschuldigen.
Das Bier blieb, der Skat geriet irgendwann in Vergessenheit.
Daher fällt mir auch nichts Pfiffiges ein, was ich als Kommentar hinterlassen könnte, außer !COFFEEA und !invest_vote . 😎
Frevel! Damit bist du raus!
Macht aber nichts, denn eine alte Skatregel besagt:
Raus und gewonnen!... 😎
... und hatte das letzte Wort, wenn schon kein gutes Blatt. 😎
Kenne Skat nur ganz wenig, bei uns wurde Schafkopf gespielt. Ist aber egal, beim Kartenspielen hatten wir auch immer eine "mords Gaudi" und die sieht man auch auf deinen Bildern.
Schafkopf kenne ich nicht, weiß nur, dass sich Skat u.a. daraus entwickelt hat.
Egal, eine ordentliche Kartenrunde garantiert einen spaßigen Abend. Ich spiele gern - am liebsten analog... ;-)
Diese Kartenspielabende fand ich auch immer sehr interessant.
Wir haben immer Doppelkopf und Skat gespielt.
In die höreren Weihen des Bridge-Kartenspiels bin ich leider nicht aufgestiegen.
Heute hätte ich gegen die großen Meister wahrscheinlich
keine Chance mehr.
Aber man kann vielleicht langsam wieder einsteigen,
wenn der Ruf des Skats erschallt.
:)
Danke für euren schönen Bericht.
Viele Grüße.
Ich glaube, Skat ist wie Fahrradfahren: Das verlernt man nicht! Wobei der Helmut natürlich zum lang trainierten Feinschliff gehört ;-)
Ich habe mal ohne vorherige Ahnung mit einem ehemaligen Deutschen Meister gespielt. War gut, aber nicht sehr lustig. Der hat vor jedem Ausspiel immer so lange gerechnet und nach drei bis fünf Stichen mit "Reicht!" hingeworfen. Naja...
Gerne :-)
Liebe Grüße,
Chriddi
Ich glaube, Skat ist wie Fahrradfahren: Das verlernt man nicht!
Das ist bestimmt richtig. Nach 20 Jahren Pause könnte ich sofort loslegen, aber ich würde merken, daß die Spielpraxis fehlt. Das Spiel zu lesen, würde Boris Becker sagen, wie die Karten wohl sitzen und es dann doch nicht so war.
gegen den Deutschen Meister gespielt. Ich hab mal gegen den Bruder des Westdeutschen Schüler Schachmeisters gespielt (Schach natürlich) und hab kein Bein an die Erde gekriegt. Da merkt man was Talent ausmacht.
Herzliche Grüße aus Main-Franken,
Jochen
Cool, köstlich einfach schön zu lesen! Meine Großeltern waren auch große Skatspieler (zuhause) und als Kind musste ich dann manchmal herhalten, so habe ich zwar früh Skat gelernt, aber nie wirklich gespielt. Deine Sprüche kenne ich kaum... Meine Großeltern kamen aus Ostpreußen. !BEER !giphy cigarette
Danke, freut mich sehr!
Hm, unser Skat-Jargon ist ziemliches Patchwork - wie die Familie selbst. Ostpreußen, Pommern, tatsächlich Schleswig-Holstein und natürlich internes Dedöns... ;-)
Gern geschehen! Jedenfalls versteht ihr euer Kuddelmuddel, das ist ja die Hauptsache ;-) Kleine Nachfrage: ich kenne nur Gedöns... ;-)
"Gedöns" ist völlig korrekt. Bei "Dedöns" muss die Sprachheilpädagogin nun eine Vorverlagerung des Lautbildungsortes diagnostizieren - oder einfach zu dicke Finger fürs Tippen... ;-)
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Chriddi, Chriddi, schön dich so zu "erleben"! Danke. !invest_vote und !BEER
Jaaa! Echte soziale Kontakte im analogen Spiel... 😂
Upvote TROTZ französischem Blatt. Bei mir zu Hause kommt mir nur das altdeutsche/ Altenburger Blatt in die Hand!
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Danke, danke...
Tschä, dann könnten wir nicht miteinander spielen: Das altdeutsche Blatt ist in Schleswig-Holstein kaum verbreitet, ich kann Bilder und Farben nicht mal benennen... 🤔
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